Das Haus der Bronskis
eineirische Königin aus dem zwölften Jahrhundert. Sie war vom König von Leinster entführt worden, und die anschließenden Zwistigkeiten hatten die Invasion der Normannen zur Folge gehabt. Dies, sagte Onkel Nicholas, sei der Anfang vom Ende der alten irischen Könige und Stammeshäuptlinge gewesen. Fünf Jahrhunderte später erlitten sie ihre endgültige Niederlage in der Schlacht an der Boyne, nach der die O’Breifnes aus Irland flohen und schließlich in Rußland landeten.
General O’Breifne, fuhr er fort, hatte Druków mitsamt den dazugehörigen fünftausend Seelen gekauft. Die Leibeigenen waren hauptsächlich polnische Katholiken. Eines Tages kam er angeritten, um sein Gut zu inspizieren, und fand eine große Anzahl von ihnen in der Kirche. Es wurde eine Messe gelesen. Der General war gerade rechtzeitig eingetreten, um noch die angstvoll erhobene Bitte zu hören, sie vor dem »russischen General« zu schützen, der sie gekauft hatte. Mit großen Schritten durchmaß General O’Breifne den Mittelgang. Seine Sporen klirrten gegen den Steinboden. Vorne kniete er nieder. Der Priester verstummte.
»Fahren Sie fort«, sagte der General, und der Priester stotterte sich weiter durch die Liturgie.
Als die Messe vorüber war, erhob sich der General von den Knien und drehte sich zur Gemeinde um. »Bitte, es besteht kein Grund zur Furcht. Ich bin kein Russe. Ich heiße O’Breifne und bin Katholik. Ich komme aus einem sehr alten katholischen Land – einem Land weit im Westen namens Irland.«
O’Breifne sagte ihnen nichts, Irland auch nicht, und sie waren von diesem Ausländer und seinem merkwürdigen Namen überhaupt nicht überzeugt.
»Erst als er mit einer polnischen Frau zurückkehrte«,sagte Onkel Nicholas, »fingen die Leute an, ihm zu glauben.«
Klepawicze war nur ein paar Stunden zu Pferd von Druków entfernt, und Adam Broński kam häufig zu Besuch. Er war stark in der polnischen Untergrundbewegung engagiert und genoß, schrieb Helena, den bedingungslosen Respekt der Bauern.
Obwohl Adam keinerlei Notiz von ihr nahm, machte eines an ihm damals besonderen Eindruck auf Helena: Standesunterschiede schienen ihm völlig unwichtig zu sein. Ihre Mutter fand das sehr seltsam. Er kam offenbar nach Druków mehr, um mit dem Gutsverwalter zusammenzusein als mit den O’Breifnes.
»Kriegszeit, Liebes. Landwirte sind in Kriegszeiten sehr wichtig. Adam muß seine Pflicht tun.« Und weil er so gute Manieren hatte, Erbe von Klepawicze war und Sohn von Pan Stanisław Broński, vergab sie ihm.
An einem Morgen kam Adam herübergeritten, um dem Gutsverwalter beim Säubern des Karpfenteichs zu helfen. Helena saß am Ufer und schaute zu. Die beiden Männer öffneten die Wehre, und Adam zog sich bis zur Taille aus. Mit nacktem Oberkörper beugte er sich vor, um die zappelnden Fische aus dem Schlamm zu ziehen.
»Aufzucht!« rief er oder: »Küche!« und warf den Fisch in den einen oder anderen von zwei galvanisierten Kesseln.
Nach dem Mittagessen stand Helena vor dem hohen Spiegel in ihrem Schlafzimmer. Wie konnte sie Adam dazu bringen, mit ihr zu reden? Panna Konstancja hatte gesagt, wenn sie sich nur endlich einmal schön machte, werde sie ihr Wunder erleben.
Sie griff nach der Haarbürste und zog sie durch ihr langes kastanienbraunes Haar. Es fiel nicht glatt; sie wollteaber glattes Haar! Doch nach jedem Bürstenstrich waren die hartnäckigen Locken gleich wieder da. Sie warf die Bürste hin.
Im Schrank waren die Kleider aus Petersburg, die ihr Vater ihr geschenkt hatte. Sie setzte ihre Hoffnung auf ein himmelblaues Baumwollkleid und einen Strohhut. Während sie noch eine Kirsche zerkaute, um ihren Lippen Farbe zu geben, ging sie in den Park hinaus.
Jenseits der Auffahrt befand sich ein niedriges kleines Birkengehölz. Helena hörte Adams Stimme durch die Bäume hallen. Sie stand am Rand des Wäldchens und schob die Blätter beiseite, um hineinzusehen. Er war allein. Jetzt würde er mit ihr reden.
Er stand unter den Bäumen und sang. Er sah sie nicht. Er verfiel in einen merkwürdigen Indianertanz. Er warf die Arme hoch und drehte sich um sich selbst. Er probierte eine Pirouette auf einem Bein, fiel aber hin.
Helena konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Doch sie blieb, wo sie war. Sie beobachtete, wie er aufstand, wie er vor und zurück durch die Bäume rannte. Nicht ein einziges Mal blickte er in ihre Richtung. Nach kurzer Zeit war er in der Ferne verschwunden. Sie wartete, ob er wiederkäme, doch er kam
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