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Das Haus der Bronskis

Das Haus der Bronskis

Titel: Das Haus der Bronskis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Marsden
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Revanche.)
    Weder Eric noch sie glaubten, es werde Krieg geben. Sie redeten lang und breit darüber, doch Eric war Pazifist und überzeugte Zofia, daß Frankreich und Großbritannien, sollte es soweit kommen, intervenieren und Hitler verjagen würden. Aber Ende August wurde die Lage mit einem Schlag bedrohlich. Eric wurde schleunigst auf den Weg gebracht, um das letzte Flugzeug aus Litauen noch zu erreichen.
    Von da an, schreibt Helena, hatten alle Ereignisse etwas Unwirkliches.

26.
    A
m
1.   September
zog Helena ungefähr um acht Uhr morgens die Vorhänge ihres Zimmers auf und zählte vierundzwanzig Flugzeuge am Himmel. Im Westen rollten die deutschen Panzer über die Grenze nach Polen hinein. Binnen Tagen erschienen die ersten Flüchtlinge in Mantuski. Sie kamen mit nichts als Bündeln von Bettzeug und Kleidung und mit wahnwitzigen Geschichten von niedergebrannten Dörfern, verschleppten Frauen, von Panzern zermalmtem Vieh, verspeisten Babys.
    Alles geschah so plötzlich, niemand hatte Zeit, sich Sorgen zu machen. Helena verbrachte die Zeit damit, Zimmer und Wirtschaftsgebäude für die Flüchtlinge zu räumen. Sie gab Rundfunkberichte weiter, wonach die polnische Kavallerie den Deutschen schwere Verluste zufüge. Doch in ihren Tagebüchern gestand sie die eine Frage ein, die sie unentwegt beschäftigte: Sollte sie in Mantuski bleiben oder ihre Kinder nach Wilna bringen?
    An einem Nachmittag suchte sie die Russin auf. Sie saßen zu zweit vor deren Hütte; drei magere Hühner pickten im Staub zu ihren Füßen.
    »Eine schlimme Zeit, die da wieder gekommen ist«, sagte die Russin.
    Helena nickte. Es gab Momente, wo sogar die Weisheiten der Russin abgedroschen klangen.
    »Ich bin dankbar, daß ich keine Kinder habe, Pani Helena. Ich habe nur meine Hühner.« Sie streute ihnen eine Handvoll Körner hin. »Schlimmstenfalls kann ich sie essen.«
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. »Ich habe beschlossen zu fahren«, sagte Helena.
    Die Russin warf ihr einen ernsten Blick zu. »Geben Sie jetzt Ihr Land auf, Pani Helena, und Sie werden es nie wieder finden.«
    »Aber
ciocia
, wie kann ich denn bleiben? Grundbesitzer werden ermordet, wenn sie bleiben.«
    Die Russin nickte verständig. Von Süden kam leichter Wind auf. Er fuhr raschelnd durch die Birkenblätter über ihnen. »Es ist wie ein Fluch, in diesem Land geboren zu sein, Pani Helena, ein unglückseliger Fluch . . .«
    »Und dabei ist es so schön . . .«
    »Gott verlangt einen hohen Preis, wenn er Schönheit verleiht. Graben Sie in dieser Erde, und Sie werden sehen, daß sie blutet   – blutet vom Blut der Polen, der Russen, der Franzosen und Gott weiß wessen noch.«
     
    Die Worte der Russin waren Helena keine wirkliche Hilfe. Die Pflicht war das Orakel, das sie als nächstes befragte, und die Pflicht erwies sich als hellsichtiger. Ihre erste Pflicht galt den Kindern   – sie sollten nach Wilna und von Wilna, falls notwendig, an die Küste, nach Norwegen, England oder Frankreich. Die zweite Pflicht galt ihrem Land, ihrem Haushalt, ihren Tieren: sie selbst würde nach Mantuski zurückgehen und dort bleiben wie ein Kapitän auf seinem Schiff.
    Zofia hielt es für gefährlich, sich zu trennen. Doch ihre Mutter ignorierte ihre Proteste. Sie fuhr nach Nowogródek, um Pässe zu besorgen und Onkel Nicholas zu besuchen.
    Zofia sah sie wegfahren, sah das schwarze Verdeck des Ford hinter einer Staubwand blasser werden. Dann ging sie zum Stall hinüber und sattelte Delilah. Sie wollte versuchen,vor ihrer Mutter bei Onkel Nicholas zu sein; er als einziger hatte so viel Einfluß auf sie, daß er sie überzeugen konnte.
    Zofia nahm eine andere Strecke nach Druków, die durch den Wald; sie wollte nicht ihrer Mutter auf der Straße begegnen. Die Bäume schlossen sich um sie; der Krieg schien weit weg. Sie ritt zwei, drei Stunden. Haselzweige streiften ihr Haar. Der Wald war ausgedörrt und erschöpft nach dem heißen Sommer. Als die Bäume sich lichteten, fiel sie in Schritt. Vor ihr tauchte ein langes nierenförmiges Feld auf, auf dem nur noch die Roggenstoppeln standen. Hinter dem Feld erhob sich ein junger Fichtenforst, und dahinter lag Druków.
    Sie ritt am Feldrand entlang. Aus dem Wald kam ein Geräusch   – zerbrechende Zweige, raschelndes Laub   –, und Delilah wich seitwärts in die Stoppeln aus. Zofia beobachtete die Bäume, sie vermutete Rotwild oder einen Keiler. Statt dessen tauchten zwei Männer und eine Frau auf. Die Männer trugen Gewehre.
    »Wer

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