Das Haus der Bronskis
zusammen, redete auf seine gemessene Art, verbesserte geduldig ihre Fehler und legte besonderen Nachdruck auf die Erläuterung grammatischer Regeln. Regeln waren seine Stärke.
Im Jahr darauf, 1938, kam er wieder nach Mantuski und brachte einen Freund mit.
Eric stieg vor Tony aus dem Auto aus. Er trug ein cremefarbenes Leinenjackett und ausgebeulte weiße Flanellhosen. Er ließ seine Augen über die Fassade von Mantuski und in die Bäume hinauf schweifen und stieß dann einen seltsam quietschigen Entzückensschrei aus. Zofia beobachtete ihn von ihrem Fenster aus; das, dachte sie, ist aber ein völlig anderer Typ von Engländer.
»Er hatte etwas Magisches an sich. Er war damals um die Neunzehn und tollte die ganze Zeit wild durch die Gegend. Polen machte ihn sehr stürmisch. Er sagte, es nehme ihm alles Englische. Ständig spielte er irgendwelche Streiche, lauerte dem Gespenst auf, schwamm nachts im Njemen und schrieb lange Gedichte. Oft saßen wir im Philosophenwinkel und diskutierten stundenlang. Über ganz unnütze Dinge. Ich erinnere mich an eine lange Debatte darüber, wo genau ein Ast endet und der Nicht-Ast anfängt. So etwas faszinierte ihn . . . Der liebe Eric!«
Doch Erics und Helenas Haltungen kollidierten miteinander, und wegen eines Vorfalls wäre er fast nach England zurückexpediert worden.
Wenige Tage nach seiner Ankunft fand man ihn auf dem Treppenabsatz bei einer Balgerei mit Zofia und zwei ihrer Kusinen. Die Mädchen waren schon im Pyjama, Eric noch im Anzug. Am nächsten Tag nahm Helena ihn beiseite. »Ich kann ein derartiges Benehmen nicht dulden. Es istskandalös! Sie sind hier nicht in England, und dies sind keine englischen Mädchen!«
Danach hielt Helena Eric immer für ziemlich gottlos. Aber Zofia und er hatten beide die gleiche übersprudelnde Art, den gleichen Elan, den gleichen Mutwillen. Nach jenem ersten Sommer begannen sie einander zu schreiben – er in einem leicht vereinfachten Englisch; sie in ihrer komischen, eigenen, halb schulbuchmäßigen Version:
Mantuski, November 1938.
Lieber Eric,
ich glaube, Du tanzt die ganze Zeit und bist über Piccadilly gelaufen und schlägst auf Hüte von Polizisten . . . Du mußt ganz schnell nach Polen kommen, ich bin sicher, es wird ein herrlicher Sommer, und wir reden dann über komische Ideen und tun aufregende Sachen . . . Erinnerst Du Dich, wie Du in den Fluß gesprungen bist und Murzynek gerettet hast? Jetzt habe ich darüber so sehr lachen angefangen, daß die Hunde ganz verwundert mich ansehen . . .
Ich fühle mich nicht in Stimmung, mehr lustige Sachen im Brief zu schreiben, wir wollen darüber reden, wenn Du kommst. Du mußt einen scharlachroten Schnurrbart tragen (hinterher dann kannst Du ihn abrasieren). Und Du mußt verantwortungsvoll und reserviert sein (viel mehr, bergeweise mehr, als Du warst). Meine Sache wird sein, Dich zu lernen, und darin bin ich gut . . . Bist Du noch immer romantisch, und lutschst Du immer noch gern an Deinem Finger? Wir denken oft an Dich und sprechen von Dir. Wir alle halten Dich für einen ehrlich netten Burschen. Wir haben Ferien gemacht. Wir waren in Bergen im Süden, die über riesigen steilen Abgründen hingen. Es war sehr abenteuerlich.Wir dachten, es kommt Krieg. Nämlich, dann würde ich zum Militär gehen, also war ich sehr aufgeregt. Am Ende dieses Monats werde ich 17. Sehr alt, wie dies Leben vorübergeht. Also, Faty, sei nicht faul und schreibe. Die Hunde grüßen Dich. Ich weiß nie, wie ich ein Brief an Engländer schließen soll . . .
Helena kränkelte jetzt viel. Seit Adams Tod war sie zuckerkrank, war ständig erkältet, hatte immer wieder erhöhte Temperatur und zunehmend Probleme mit ihren Gelenken. Im März 1939 reiste sie auf den Rat mehrerer Ärzte durch Europa, um eine Trinkkur in Montecatini zu machen.
Sie war fünf Wochen von zu Hause fort. Sie war allein und, nach ihren eigenen Worten, sehr glücklich. Sie war sehr glücklich nach einer Woche im Heilbad, glücklich bei der Lektüre von Charles Morgans
Sparkenbroke
, glücklich in Lucca inmitten der engen ockerfarbenen Gassen und kühlen Steinkirchen, glücklich in den belaubten kleinen Anlagen, in Pisa, in den Hotels und Zügen, und am glücklichsten am Meer in Livorno. Dort brachte sie einen ganzen Tag damit zu, die Brandung zu beobachten, ehe sie schrieb:
Die Sonne geht unter. Die Leuchttürme von Livorno und Viareggio blinken rechts und links. Die Glocken der Klöster läuten zur Vesper. Ich bete,
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