Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
war in ihrem Herzen Platz für ihre beiden Enkel gewesen.
Miranda hatte sie angebetet. Der einzige große Schmerz, den Amelia ihr je zugefügt hatte, war ihr Tod gewesen – ohne Vorwarnung war sie vor acht Wintern in ihrem Bett eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht.
Sie vermachte sowohl das Haus als auch das ansehnliche Vermögen, das sie über die Jahre angesammelt hatte, und ihre Kunstsammlung Miranda und ihrem Bruder. Ihrem Sohn, Mirandas Vater, hinterließ sie den Wunsch, er möge, bis sie sich wiedersähen, wenigstens halbwegs so geworden sein, wie sie es immer gehofft hatte. Ihrer Schwiegertochter wiederum vermachte sie ihre Perlenkette, weil sie das einzige war, was Elizabeth jemals wirklich geschätzt hatte.
Das ist ganz ihre Art gewesen, dachte Miranda jetzt. Diese giftigen kleinen Kommentare im Testament. Jahrelang hatte sie ganz allein in dem großen Steinhaus gewohnt, da sie ihren Mann um mehr als zehn Jahre überlebt hatte.
Wieder einmal dachte Miranda an ihre Großmutter, als sie das Ende der Küstenstraße erreichte und in die lange, gewundene Einfahrt abbog.
Das Haus hatte alles überlebt, die gnadenlose Kälte der Winter, die plötzliche Hitze der Hochsommer. Doch jetzt, dachte Miranda mit leisem Schuldgefühl, wurde es ziemlich vernachlässigt.
Weder sie noch Andrew fanden jemals Zeit, die Anstreicher kommen zu lassen oder sich um die Rasenpflege zu kümmern.
Das Haus, das in ihrer Kindheit ein Schmuckstück zum Vorzeigen gewesen war, stellte jetzt seine Risse und Narben zur Schau. Und doch war es immer noch schön, dachte Miranda, so wie eine alte Frau, die sich ihrer Jahre nicht schämt. Es wirkte nicht verfallen, sondern stand gerade und rechtwinklig da, würdig durch seinen grauen Stein, edel durch die Erker und Türmchen.
Auf der Windschattenseite befand sich eine reizende, mit Glyzinien berankte Pergola, die das Dach im Frühjahr in ein Blütenmeer hüllte. Miranda nahm sich jedesmal vor, auf einer der Marmorbänke unter diesem lauschigen Baldachin zu sitzen, um den Duft, den Schatten und die Ruhe zu genießen. Aber irgendwie verging der Frühling, es wurde Sommer, dann Herbst – und erst im Winter, wenn die dicken Ranken wieder kahl waren, fiel ihr ihr Vorhaben wieder ein.
Vielleicht sollte sie einige der Bretter auf der breiten Vorderveranda des Hauses ersetzen. Und das Geländer und die Gitter, deren ursprüngliches Blau zu Grau verblaßt war, mußten unbedingt abgekratzt und neu gestrichen werden. Die Glyzinien sollten wahrscheinlich geschnitten und gedüngt werden.
Sie würde das alles in Angriff nehmen. Früher oder später.
Aber die Fenster glänzten, und selbst die grimmigen Gesichter der Wasserspeier, die an den Dachrinnen angebracht waren, grinsten.
Breite Terrassen und schmale Balkone boten Ausblicke in alle Richtungen. Aus den Kaminen stieg Rauch auf – wenn sich jemand die Zeit nahm, ein Feuer zu machen. Riesige Eichen umstanden das Haus, und eine dichte Pinienhecke bot Schutz gegen den Nordwind.
Miranda und ihr Bruder lebten hier friedlich miteinander – oder sie hatten es zumindest getan, bevor Andrew angefangen hatte zu trinken. Aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Sie hatte ihn gern um sich, mochte und liebte ihn, und es war ein Vergnügen, mit ihm zu arbeiten und mit ihm das Haus zu teilen.
Als sie aus dem Wagen stieg, blies der Wind ihr die Haare in die Augen. Unwillig strich sie sie zurück und beugte sich ins Auto, um ihren Laptop und ihre Aktentasche herauszuholen.
Sie summte die letzten Takte von Puccini, ging zum Kofferraum und öffnete ihn.
Die Haare wehten ihr abermals ins Gesicht, und sie schnaubte irritiert. Aus dem halben Seufzer wurde jedoch ein ersticktes Keuchen, als jemand in ihr Haar packte und es wie ein Seil benutzte, um ihren Kopf zurückzuziehen. Kleine weiße Sterne tanzten plötzlich vor Mirandas Augen, Schmerz und Schock explodierten in ihrem Schädel. Die Spitze eines Messers preßte sich kalt und scharf gegen ihre Halsschlagader.
Innerlich schrie sie auf, und die Angst stieg ihr bis in die Kehle. Doch bevor sie den Mund aufmachen konnte, wurde sie herumgeschleudert und so hart gegen das Auto gestoßen, daß der Schmerz in ihrer Hüfte sie fast besinnungslos machte und ihre Beine unter ihr nachgaben. Die Hand zerrte erneut an ihren Haaren, und ihr Kopf flog wie der einer Puppe hin und her.
Sein Gesicht war grauenerregend. Kalkweiß und voller Narben, mit aufgedunsenen Zügen. Es dauerte einige Sekunden, bevor
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