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Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valter Hugo Mae
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kaputtschlagen, Möbel umstoßen, die Angestellten tätlich angreifen, die Pfleger, die einen im Notfall festhalten sollen. Das Zimmer ist eine richtige Gefängniszelle, das Fenster lässt sich nicht öffnen. Selbst wenn die Scheibe kaputtgeht, halten einen die alten Eisenstäbe weiter in dem Gebäude gefangen. Mit ergebener Miene blickte ich zu Boden. Ich ergebe mich, dachte ich, zu meinen Füßen die zwei Wäschesäcke und eine Krankenschwester, aus deren schlichten Sätzen man die Überzeugung heraushörte, dass ein alter Mensch in seinem Denken tatsächlich zum Kleinkind wird. Der Schock, so behandelt zu werden, ist furchtbar, und in der ersten Phase kann man erst gar nicht darauf reagieren. Wenn diese Schwester bloß mit ihrem Gelächel aufhören würde, diesem verdammten Gelächel, dann würde ich mir leichter einreden können, dass meine Gefühle nicht wertlos waren und dass die Trauer um Laura nicht aus der Fremde kam, aus der Ferne, und keine Dummheit war, und erst recht nicht beruhte sie auf einem Verbrechen, das mit Einsperren und Ähnlichem zu bestrafen ist. Die Schwester lächelte, und mit größter Verachtung wünschte ich ihr alles Schlechte der Welt an den Hals. Die Arme und Beine sollte man ihr abhacken, dachte ich, ihr die Augen ausstechen, die Zunge herausreißen und sie eine dumme Ziege nennen, genau das verdiente sie. Senhor Silva, mit dieser kleinen Decke haben Sie es heute Nacht schön warm, und Sie werden hier noch viele schöne Träume haben, Sie werden sehen.
    Eine Weile sagte ich kein Wort. Man fragte mich, ob ich meine Sachen gleich auf die Kleiderhaken vor mir aufhängen wolle. Ich schüttelte den Kopf, und sie ließen mir meinen Willen. Sie sagten, gut, sie würden mir noch ein paar Minuten geben, damit ich mich im Zimmer umsehen und mich hier eingewöhnen könne, ich solle ruhig mal ans Fenster gehen, mit der Aussicht sei es zwar nicht weither, immerhin gebe es aber einen Garten und einen kleinen Platz, und da gerade der Sommer anfing, würden dort sicher ein paar Leute sein, auch Vögel, und in der Umgebung könnten sogar kleine Kinder mit ihren Fahrrädern herumtollen. Die Zimmer im linken Flügel gehen zum Friedhof. Der Arzt schlug die Augen nieder und setzte eine Miene auf wie jemand, der darin nichts Schlechtes sehen könne. Er sagte noch einmal, ja, das ist wahr, sie gehen auf den Friedhof, aber es wohnen darin Gäste von uns, die ohnehin bettlägerig sind. Ich stand auf und erkannte, was mit Garten gemeint war, der Ort, wo die Kinder, die zauberhaften Kleinen, spielen würden. Ich war mir sicher, dass ich später, wenn mich der Körper vollständig im Stich ließe, bettlägerig werden und dass man mich in eines der Zimmer mit Blick auf den Friedhof verlegen würde, die letzte Station. Tag und Nacht würde ich daliegen und hinausschauen, und im Fenster würde der Himmel hell und dunkel werden über der Erde, die schon den Rachen aufriss, um mich zu verschlingen.
    Danach packte ich die Wäschesäcke aus und hängte alles so, wie es mir gerade in die Hände kam, auf. Die kraftlosen mechanischen Gesten ließen die Hemden hintereinandergereiht im Schrank verschwinden, und ab und zu spähte jemand durch den Türspalt, um zu kontrollieren, ob ich mich auch anständig benahm. Elisa war bestimmt noch im Haus, vielleicht, um wegen des schweren Entschlusses, ihren Vater hier zurückzulassen, Trost zu suchen beim Arzt, und ich wusste, dass sie noch einmal zurückkommen würde, um sich mit einem verräterischen Kuss zu verabschieden, und sie würde ihr Leben weiterleben und auf dem Heimweg weinen. Als sie hereinkam, hatte ich schon alles in penibler Ordnung aufgehängt, und sie erholte sich etwas von der Angst, die sie gehabt hatte, weil sie sah, dass ich so ruhig war, wie ich es in diesem weißen Zimmer nur sein konnte. Sie trat ein, küsste mich auf die Wange und sagte, es werde mir hier gutgehen. Du wirst gern hier sein, mit neuen Freunden und Menschen, die dir den ganzen Tag Gesellschaft leisten. Ich wollte, dass sie dachte, so würde alles besser sein, ganz, wie sie es sich wünschte, denn bei einer Tochter fehlt uns der Hass, da muss es eben sein. Ich ließ mir von ihr einen Abschiedskuss geben und spürte, wie sie sich Meter um Meter entfernte, als gäbe es zwischen ihrem und meinem Körper eine Schnur, die zerreißen würde, wenn man sie zu weit auseinanderzöge. Ich spürte, dass sie mich alleinließ, um sich in die Arme ihres Mannes und meiner Enkel zu flüchten, wo das Leben aus

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