Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
Spiel und die Diskette ab.
»Ich wollte immer schon mal ein Computerspiel ausprobieren«, erklärte er. »Dieses hier macht einen ziemlich einfachen Eindruck.«
»Hören Sie …«, begann Desmond.
Wieder ertönte der Türgong, und gleich darauf betraten Margo und Adrian das Zimmer.
»Was ist hier eigentlich los?« dröhnte Desmonds Vater. »Sung hat uns angerufen, wir sollten sofort hierherfahren. Er hat gesagt, es wäre ein Notfall.«
»Es sieht so aus, als würde ich gerade verhaftet«, erklärte Desmond.
»Wie bitte?«
»Es ist ein Irrtum, Vater. Mach dir keine Sorgen.«
»Warum um Himmels willen verhaftet man dich?«
»Sie behaupten, ich wäre derjenige, der die Produkte verfälscht hat.«
Adrian sah ihn scharf an. »Bist du für diese Todesfälle verantwortlich, Desmond?«
»Natürlich nicht«, entgegnete Margo heftig. »Die Polizei hat den Täter doch schon festgenommen.«
»Ja, aber du hast Rusty Brown eingestellt, nicht wahr, Desmond?« fragte Charlotte. »Ich denke, wenn wir unsere Personalchefin fragen, wird sie es uns bestätigen.«
Adrian sah mit finsterer Miene zu, wie die Agenten den Computer aus der Wand zogen und in Plastik wickelten. »Bist du verrückt, Desmond? Du hast absichtlich einen Vorbestraften eingestellt? Warum zum Teufel hast du das getan?«
»Ich wollte dem Mann die Chance geben, seinen Fehler gutzumachen und sich wieder neu einzugliedern. Er ist ein guter Techniker und versteht sein Handwerk.«
Charlotte sah ihn kopfschüttelnd an. »Du hast Brown eingestellt, weil er vorbestraft war. Du hast in der Zeitung von ihm, seiner Verhaftung und dem Prozeß gelesen, und als er freikam, hast du ihn angerufen und ihm einen Job angeboten. Hast du ihm große Versprechungen gemacht und ihn damit geködert? Und als er dann nicht befördert wurde und in der Kojoten Bar hockte und trank, hast du ihn auf den Gedanken gebracht, sich zu rächen.«
»Eine interessante Phantasie«, meinte Desmond, aber sein Lachen klang hohl.
Jonathan hatte inzwischen weiter in der Abstellkammer herumgestöbert, die Schuhkästen mit den Disketten zur Seite geräumt und Skier und Fußbälle entfernt, bis er auf etwas stieß, das in die äußerste Ecke gestopft worden war. »Ist das auch eine Phantasie?« fragte er jetzt und hielt einen falschen Bart und eine Baseballmütze mit daran befestigtem Pferdeschwanz hoch. »Der Hausmeister hat den Mann, der Rusty Brown zum Trinken einlud, beschrieben – er hatte einen Bart und einen Pferdeschwanz.«
»Das ist ja lächerlich.« Adrian sah ihn ungläubig an. »Was für einen Grund könnte Desmond haben, unser Unternehmen zu ruinieren?«
»Er hatte herausgefunden«, antwortete Charlotte, »daß Iris Lee seine Mutter war.«
Die beiden Barclays starrten sie an. Dann erklärte Margo: »Das glaube ich dir nicht.«
»Es ist die Wahrheit«, sagte eine Stimme. »Iris war Desmonds Mutter.«
Sie drehten sich nach der Tür um.
Allen stockte der Atem.
»Großmutter!« schrie Charlotte.
53
6 Uhr morgens – Palm Springs, Kalifornien
Alle rissen die Augen auf, als sähen sie einen Geist.
Vielleicht war es ja auch so. Ich war von den Toten zurückgekehrt und hatte ihnen keine Zeit gegeben, sich darauf vorzubereiten.
Desmond, die Gelenke in Handschellen, war weiß wie seine teuren Kleider, sein Vater rot wie eine Päonie. Margo musterte mich nur ausdruckslos durch ihren Zigarettenrauch, so wie vor vielen Jahren Olivia, während Charlotte mich zutiefst bestürzt anstarrte und Jonathan, der sich schon wieder von seinem Schreck erholte, zu lächeln anfing.
Er war der erste, den ich begrüßte. Was für ein gutaussehender Mann er geworden war! Ich küßte ihn auf beide Wangen und versicherte ihm, daß ich mich freute, ihn wiederzusehen.
Er grinste und antwortete: »Hat mir leid getan, Ihr Begräbnis zu verpassen, Mrs. Lee.«
Ich habe seinen Humor immer gemocht. Kein Wunder, daß Charlotte sich in ihn verliebte. Er schien weniger überrascht über meinen Anblick als die anderen. Ich erinnerte mich, daß er mir einmal erzählt hatte, seine Großmutter hätte das »zweite Gesicht« besessen – was ich das »dritte Auge« nenne. Vielleicht hat er ja dieses geheime Wissen geerbt.
»Charlotte«, sagte ich dann und umarmte sie. Sie stand steif wie ein Baum, ihr Mund ein großes, rundes O, wie ein Astloch in der Rinde. Schon als kleines Kind hatte sie immer alles gewußt. Nun fand ich es erheiternd, daß sie zur Abwechslung einmal völlig ahnungslos war.
»Großmutter«,
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