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- Das Haus der kalten Herzen

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Titel: - Das Haus der kalten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Singleton
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Sonnenschein, die rot gekleidete Frau.
    Danach war Charity ganz blass. »Kann ich auch mit dahin?«, sagte sie. »Ich möchte sie sehen.«
    »Das weiß ich nicht«, sagte Mercy. »Ich habe noch nicht herausgefunden, wie der Durchgang funktioniert.«
    »Ich will es versuchen. Bring mich jetzt gleich hin«, sagte Charity.
    Sie liefen den Korridor entlang zu dem Wandteppich und Charity drückte und hämmerte gegen die Holzvertäfelung. Aber der Durchgang blieb verschlossen. Tränen stiegen Charity in die Augen, aber sie hielt sie zurück. Sie schüttelte ihren Kopf und presste ihre Hände aneinander.
    »Finden wir Mutters Zimmer?«, fragte sie schnell.
    Mercy hatte die Schlüssel mit einem Lappen abgerieben und mit den Fingernägeln daran gekratzt. Trotzdem waren sie noch vom Rost überzogen. Wie lange sie wohl im Schlamm am Grund des Teiches gelegen hatten?
    »Wir müssen herausfinden, wer der Geist im Teich ist«, sagte Charity.
    »Vielleicht erfahre ich das von Claudius.« Mercy ging auf die Treppe zu.
    »Weißt du, wo das Zimmer liegt?«, fragte Charity.
    »Ich versuche mal, es wiederzufinden. An dem anderen Ort sah alles ein bisschen verändert aus, wegen des Lichts. Das Zimmer lag auf der Südseite, glaube ich, im zweiten Stock. Noch eine Treppe höher.«
    Licht hatten sie nicht, aber beide Mädchen fanden sich auf verblüffende Weise im Dunkeln zurecht. Mercy ging voran, sie versuchte, sich an den Weg zu erinnern, den sie genommen hatte, als sie der Frau im roten Seidenkleid durchs Haus gefolgt war. Sie stellte fest, dass sie sich gut zurechtfand, wenn sie die Augen schloss. Es schien ganz so, als wäre das Haus ein Labyrinth, das sich ihrem Gehirn direkt eingeprägt hatte.
    »Hier«, sagte sie.
    Das Geländer fühlte sich glatt und kühl an. Charity bemühte sich, Schritt zu halten. Die Treppe mündete auf einen großen Absatz, von dem ein hohes Fenster Aussicht auf das Gewächshaus, den Garten mit den Steinlöwen und die dahinterliegende Brennereiwiese bot.
    »Hier oben ist es kalt.« Charity zitterte.
    Mercy schloss wieder die Augen, sie versuchte, sich zu erinnern und den Weg zurück ins Schlafzimmer zu erspüren. »Hier entlang«, sagte sie.
    Sie gingen weiter. Um sie herum knarrte das Haus.
    »Ich glaube, jemand folgt uns«, flüsterte Charity und zog Mercy am Ellenbogen.
    »Ich höre nichts.« In ihrer Nase kitzelte etwas. Das war sicherlich das Parfum. »Riechst du es?«, fragte sie. »Kannst du das riechen?«
    »Was denn? Ich rieche nichts – bloß alte Teppiche.«
    Charity blickte noch immer über ihre Schulter.
    »Hier ist es«, sagte Mercy. Die Tür war abgeschlossen. Sie holte den größten Schlüssel hervor. Das Schloss klemmte. Eine Weile leistete es Widerstand, dann bewegte sich der Mechanismus mit vernehmlichem Kratzen.
    Mercy öffnete die Tür.
    Ein kalter Luftzug strich über sie hinweg. Blasse Gardinen bauschten sich vor dem Fenster. Die Mädchen traten ein. Etwas bewegte sich an der Decke – eine dunkle Gestalt. Mercys Herz setzte einen Schlag lang aus.
    »Efeu«, sagte sie. »Das Fenster steht offen. Der Efeu ist in den Raum hineingewachsen und hat die ganze Decke überwuchert.«
    Charity blieb ganz dicht neben ihrer Schwester stehen. Tote Blätter bedeckten den Fußboden und das Bett, auf dem die Decken schimmelten. »Ist das ihr Zimmer?«
    »Ich glaube schon.«
    »Hier sind keine Bilder.«
    »Nein. Aber wir haben die hier.« Mercy hob die kleineren Schlüssel hoch. Sie ging zum Frisiertisch und setzte sich auf den kleinen Schemel, der davor stand. Welke Blätter lagen auf den Glastiegeln. Ein dreiteiliger Spiegel warf ihr eigenes dunkles Bild zurück. Sie stellte sich vor, wie ihre Mutter auf demselben Platz saß, in derselben Haltung. Wie sie sich ihr Haar bürstete, den Verschluss einer Halskette zuhakte. Waren Charity und sie morgens zum Spielen hierhergekommen? Waren sie auf das Bett geklettert und hatten sich an ihre Mutter geschmiegt? Das Zimmer barg so viele Erinnerungen, doch alle waren sie unter Verschluss. Mercy strengte sich an. Sie wollte sich erinnern, konnte es aber nicht. Sie seufzte. In ihrem Herzen war eine schmerzhafte Leere.
    Langsam wanderte Charity im Zimmer umher und berührte Gegenstände. Eine Vase am Fenster, Fetzen der Gardine. Eine Schale voll Staub und Perlen von einer gerissenen Perlenkette. Mercy schloss die Schublade auf.
    »Charity«, rief sie leise. »Schau mal.« Die Schublade war voll mit Briefen und Papieren. »Gib mir deinen Schal«, sagte

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