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Das Haus der kalten Herzen

Das Haus der kalten Herzen

Titel: Das Haus der kalten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Singleton
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verschleiern. Der Augenblick der Vertrautheit war vorüber, das spürte sie. Er machte einen Rückzieher.
    »Die Bilder sind weggeschlossen worden«, sagte er. »Ich ertrage ihren Anblick nicht, Mercy. Geh jetzt. Geh und iss mit deiner Schwester zu Mittag.«
    Langsam stand Mercy auf.
    »Mercy?«, rief er, als sie sich zum Gehen wandte. »Es freut mich zu hören, dass du doch nicht krank bist«, sagte er.
    Sie ging zurück in den Salon. Dort saß Galatea mit ihrer Kerze am Tisch.
    »Es tut mir leid«, sagte Mercy. Galatea stand auf und schniefte.
    Sie aßen zusammen, und später, als sie allein im Kinderzimmer saßen, erzählte Mercy ihrer Schwester, was Trajan zu ihr gesagt hatte.
    »Wie alt bist du, Charity?«
    Charity kniff die Augen zusammen. Sie zögerte. »Zehn, glaube ich«, sagte sie.
    »Aber sicher bist du dir nicht. Findest du das nicht merkwürdig?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Charity. »Eigentlich habe ich darüber noch gar nicht nachgedacht.«
    »Fragst du dich nicht, warum wir nie den Tag sehen?«
    »Nein«, sagte Charity.
    »Aber früher haben wir das getan, da bin ich sicher«, fuhr Mercy fort. »Ich kann mich erinnern. Ich glaube, mich daran zu erinnern.«
    Die Vergangenheit regte sich, legte vergessene Orte in ihrem Geist frei. Wie bei einem Buch, das sie auf dem Regal liegen gelassen hatte, flatterten ihre Erinnerungen nun willkürlich von einer Seite zur anderen und brachten Szenen einer vergessenen Geschichte ans Licht.
    Als das Geschirr abgeräumt und Aurelia geschäftig davongegangen war, holte Charity ein paar Bücher hervor.
    »Wir sollen einen Bericht über die dänische Invasion im neunten Jahrhundert in Wessex schreiben«, verkündete sie. »Galatea hat uns diese Bücher zum Lesen dagelassen.«
    »Wie langweilig«, gähnte Mercy. Plötzlich war sie sehr müde, die vorherigen Anstrengungen hatten sie eingeholt. Wie konnte sie da an die Dänen denken?
    »So langweilig ist das gar nicht«, sagte Charity. »Ich habe schon angefangen, weißt du, während du von Vater ausgeschimpft worden bist. Es geht um König Alfred, der in den Marschen von Sommerset lebte.«
    Sie hob ihr Heft hoch und zeigte, wie viel sie schon geschrieben hatte. Dann wurde sie sehr ernst. »Wo bist du heute Morgen hingegangen?«
    »Zum Teich«, sagte Mercy.
    »Warum bist du weggelaufen?«
    »Ich bin nicht weggelaufen. Ich brauchte frische Luft, um einen klaren Kopf zu bekommen.«
    »Galatea meint, du führst etwas im Schilde. Sie und Aurelia sind zu Vater gegangen, als ich lernen sollte, aber ich bin ihnen nachgeschlichen und habe sie belauscht. Du bist hier nicht die Einzige, die an der Enthüllung von Geheimnissen interessiert ist.«
    »Was haben sie gesagt?«
    »Erzähl du mir deins, dann erzähle ich dir meins.«
    Charity bereitete es keinerlei Schwierigkeiten, im einen Augenblick zuckersüß zu ihrer Gouvernante zu sein und sie im nächsten Augenblick auszuspionieren.
    »Ich habe Claudius wiedergesehen«, sagte Mercy. »Beim Bootshaus. Aber du darfst es niemandem verraten! Er sagt, er will uns helfen – und sie würden versuchen, es zu verhindern. Und, was hat Galatea gesagt?«
    »Galatea meint, du bist unter einen maliziösen Einfluss geraten«, sagte Charity. »Das hat sie gesagt. Maliziös – etwas Böses. Und ich glaube, damit ist Claudius gemeint, nicht wahr?«
    »Ich weiß, was maliziös bedeutet«, sagte Mercy gereizt. »Was hat sie noch gesagt? Was hat Vater gesagt?«
    »Nun, sie glauben, dass Claudius die Veränderungen im Haus herbeiführt. Ich weiß nicht, wie. Wir wachen auf, das hat Vater gesagt. Er führte unsere Fragen nach Mutter an und dass wir uns an die Vergangenheit erinnern. Und er macht sich Sorgen, dass Claudius deine besonderen Gaben ausnutzen könnte und versuchen wird, uns zu schaden.«
    »Nun erzähl du mir den Best«, sagte Charity. Sie starrte Mercy an. »Warum hat Galatea dir befohlen, in deinem Zimmer zu bleiben?«
    Aber Mercy hörte Schritte auf dem Korridor. »Nach dem Zu-Bett-Gehen«, flüsterte sie. »Komm in mein Zimmer.«
    Doch als sie dann lesen und zur Buhe kommen sollten, ging Mercy stattdessen in Charitys Zimmer. Sie holte die Schlüssel aus ihrer Tasche.
    »Schlüssel«, sagte Charity. »Wozu sind die?«
    »Ich glaube, das sind die Schlüssel zum Zimmer unserer Mutter.«
    In Charitys Gesicht regte sich nichts. Einen Augenblick lang wandte sie sich von Mercy ab und blickte zur Wand. Dann sagte sie: »Wo hast du sie her?«
    Mercy setzte sich auf die Bettkante neben ihre

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