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Das Haus der kalten Herzen

Das Haus der kalten Herzen

Titel: Das Haus der kalten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Singleton
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ich die Geschichte schreiben? Warum kannst du das nicht tun?«, fragte Mercy.
    Claudius lächelte. »Ganz einfach, weil du mächtiger bist als ich«, sagte er. »Du hast die Gabe deines Vaters geerbt, Mercy. Deshalb musst du das Buch schreiben. Du kannst Geister sehen, und ich glaube, du kannst mit Worten der Realität eine neue Gestalt geben. Du vermagst die Türen zu nutzen. Wenn du erst einmal weißt, wo sie sind, brauchst du nichts weiter als deinen Willen und die richtige Gemütsverfassung. Zweimal hast du es jetzt schon geschafft, ohne zu wissen, wie. Ich glaube, es wird dir noch einmal gelingen.«
    Dann überreichte er ihr das rote Buch. Das Haus der kalten Herzen war vorne aufgeprägt.
    »Das ist für dich«, sagte er. Mercy nahm das Buch. Es war genau wie das, das Trajan geschrieben hatte, allerdings waren die Seiten leer.
    »Das ist dein Buch«, sagte er. »Schreib deine Geschichte. Zerbrich den Käfig.«
    »Wo sind die Türen?«, sagte sie.
    »In der Bibliothek, das gilt übrigens für jeden Tag. Suche Die genaue geografische Lage des Lermantas-Archipels heraus. In seinem Umschlag findest du eine Karte, die dir zeigen wird, wo die Tür zum nächsten Kapitel liegt. Du wirst schnell handeln müssen, denn immer wenn du wieder in deine eigene Zeit zurückfällst, wird dein Vater versuchen, dich aufzuhalten. Verstehst du das?« Er packte sie hart und bohrte ihr die Finger in den dünnen Arm.
    »Ja«, sagte sie und rückte von ihm ab. »Ja.«
    Claudius schüttelte den Kopf. Dann legte er beide Hände an die Schläfen und verzog das Gesicht. Der lange Triller der Nachtigall brach ab.
    Claudius erholte sich sofort von dem wie auch immer gearteten Anfall, der ihn überkommen hatte, und brachte ein wahnsinniges, beunruhigendes Lächeln hervor. Dann verschwand er.
    Das war das Ende des Kapitels. Es war nicht nötig, in die Bibliothek zurückzukehren und die Tür zu ihrer eigenen Zeit zu finden. Der See, der Tempel, das Haus auf dem Hügel, alles fiel in sich zusammen und war weg. Mercy saß im leeren Raum. Sie schoss hinauf …
    … in ihr kaltes, dunkles Zuhause. In den Korridor vor ihrem Zimmer.
    Wie eisig die Luft war, wie schwer die Nacht. Immer noch hielt sie das leere rote Buch in den Armen und die Zeichnung von den fünf Tageskreisen. Sie brachte sie in ihr Zimmer, schloss die Tür ab und versteckte die Sachen unter dem Dielenbrett unter ihrem Bett. Dann legte sie sich erschöpft hin. Im Kamin brannte ein Feuer. Die Reise lastete schwer auf ihren Gliedern und trotzdem konnte sie nicht gleich einschlafen. Ihre Gedanken wanderten. Sie schaute sich in dem vertrauten Raum um. Jetzt kam ihr alles so fremd vor. Ihr fiel auf, wie schmutzig es war, staubige Spinnweben hingen von der Decke herunter. Natürlich hatte sich hier nichts verändert, aber sie hatte sich verändert.
     
    Aurelia weckte sie, sie rüttelte an der Tür und forderte Einlass. Mercy schloss die Tür auf und bekam ein Tablett und Tee. Sie zog die Vorhänge auf. Hoch oben bog sich der Mond wie das Krummschwert eines Räubers aus den Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Das welke Schneeglöckchen war entfernt worden.
    Mercy zog ihr Nachthemd aus. Der blaue Fleck auf ihrem Knie, vom Sturz auf dem Eis, war fast verschwunden. Sie faltete ihre Unterwäsche und das rosa Kleid auseinander und zog sich an. Wie fleckig es war. Vorher war ihr das nicht aufgefallen. Der Stoff war dünn und geflickt. Der Rock war unten, wo die Säume den Boden berührten, braun von Schmutz und fadenscheinig.
    Sie schaute sich in ihrem Zimmer um. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Kleiderschrank, rechts ein Frisiertisch. Zu dem Frisiertisch gehörte ein mehrteiliger Spiegel. Jeden Abend nach dem Aufwachen setzte sich Mercy an den Frisiertisch und bürstete ihr Haar. Heute bemerkte sie, dass eine dicke Staubschicht den Spiegel und jeden Gegenstand auf dem Tisch bedeckte – mit Ausnahme der Bürste. Da gab es rosa Glastiegel, eine Kristallvase, einen Handspiegel mit besticktem Rücken, eine Parfumflasche – und alles war mit einem weichen grauen Staubmantel bedeckt. Sie nahm ein Samtkästchen in einem verblassten Rot mit Goldstickerei in die Hand. Die Scharniere brachen, als sie es öffnete. Darin lagen zwei Perlenohrringe auf einem Samtpolster. Sie nahm sie heraus. Hatte sie noch Löcher in den Ohren? Ja. Sie legte die Ohrringe an. Dann starrte sie ihr verwaschenes Spiegelbild an. Claudius hatte Recht. Sie sah dünn und müde aus. Wie eine alte Frau, dachte sie. Ich bin

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