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Das Haus der kalten Herzen

Das Haus der kalten Herzen

Titel: Das Haus der kalten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Singleton
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Duft von Geißblatt und Rosen und die Sommerluft und die Schwalben. Sie dachte an ihr staubbedecktes Zimmer und die modernden Kleider. Wenn Claudius die Wahrheit sagte, dann war es Trajan, der darauf bestand, so zu leben.
    »Ich glaube Claudius nicht«, sagte sie. »Er erzählt mir lauter Lügen. Ich höre gar nicht hin.«
    Sie selbst war eine schlechte Lügnerin. Mit den Händen rieb sie sich das Gesicht, ihre Wangen waren heiß.
    »Mercy«, sagte er noch einmal. »Du bist an den anderen Ort gegangen.«
    »Bin ich nicht. Bin ich nicht!«
    »Mercy!« Jetzt war er wütend. »Muss ich dich schlagen? Oder einsperren? Denn das werde ich tun, wenn es sein muss.«
    Mercy biss sich auf die Lippe.
    »Er hat dir alles erzählt, nicht wahr? Von dem Mantel über Century, von unserem langen Leben?«
    Mercy nickte.
    »Verstehst du denn nicht?«, sagte er. »Du kleine Närrin, kannst du nicht zwei und zwei zusammenzählen? Jedes Mal, wenn du dich von einem Ort zum anderen bewegst, fangen die Orte an, sich aufzulösen. Beim ersten Mal nur ein kleines bisschen, dann ein wenig mehr und noch mehr … bis wir völlig offen daliegen. Dies ist mein Zauberbann, Mercy. Meine List und meine Macht haben ihm Form gegeben. Und jedes Mal, wenn du von einem Ort an einen der anderen gehst, beginnen alle, sich aufzulösen. Ich kann es in meinen Knochen spüren. Claudius hat schon Schaden angerichtet mit seiner Einmischung und seinem Wandern. Jetzt machst du es noch schlimmer. Am Ende wird das ganze Gebäude in sich zusammenfallen und wir stehen wieder ungeschützt und verwundbar da. Ich will euch beschützen, aber du hast nichts anderes im Sinn, als ihm dabei zu helfen, uns alle zu vernichten!«
    Mercy spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie versuchte, sie zurückzuhalten, indem sie auf ihre Füße starrte.
    »Das wusste ich nicht«, sagte sie. Aber natürlich hatte sie es gewusst, auf eine Art. Die Zeit selbst hatte Centurys Zerfall bewirkt. All die kleinen Veränderungen, der Staub und die Spinnweben, der Verfall im Haus waren ganz einfach das Resultat von hundert Jahren Vernachlässigung. Nun, wo der Zauberbann begann, sich aufzulösen, konnte sie es zum ersten Mal richtig sehen. Der Schleier war ihr von den Augen gerissen worden. Was mochte sie den anderen Tagen angetan haben? Lösten deren Nähte sich auch auf, je mehr sie sich auf Claudius’ Art einmischte?
    »Er hat mir erzählt, ich hätte deine Kräfte geerbt«, sagte sie mit piepsiger Stimme. »Ist das wahr?«
    »Ich denke schon, Mercy, denn du hast die Kraft, über unseren Ort hinaus zu schauen«, sagte er nun sanfter. »Deine Geister. Verstehst du? Echos der anderen Zeiten. Du vermagst durch die Wände der Tage zu schauen.«
    »Ich will herausfinden, was mit meiner Mutter passiert ist – wo sie ist. Und ich will hier nicht ewig festgehalten werden!«, rief sie. »Ich will Thekla sehen. Der Sommer soll kommen und das Tageslicht. Wer könnte uns jetzt noch etwas tun, nachdem hundert Jahre vergangen sind? Haben die Leute draußen denn nicht vergessen, was auch immer geschehen ist? Warum willst du mir nicht erzählen, wer wir sind?«
    »Wir müssen uns vor mehr als vor den Geschehnissen der Vergangenheit verstecken«, sagte er. »Wir verstecken uns, weil wir anders sind. Ich dachte, wir könnten leben wie normale Menschen, aber ich habe mich geirrt. Wir leben so lange. Das ändert alles. Und wegen unseres Andersseins geschieht Böses. Wir müssen uns für alle Zeiten wegschließen, damit wir in Sicherheit sind und damit andere in Sicherheit sein können. Weil wir so sind, wie wir sind.«
    Er wandte sich vom Teich ab, und sie gingen zurück, an der riesigen Hecke am Rande der Wiese entlang. Übellaunig schlug Trajan mit seinem schwarzen Stock nach den toten Halmen und nackten Zweigen. Mercy wagte nicht, ihm noch eine Frage zu stellen. Schweigend ging sie an seiner Seite zum Haus zurück, das Gefühl der Ungerechtigkeit versuchte sie dabei herunterzuschlucken. Vor der Tür wandte er sich wieder an sie.
    »Geh nicht«, sagte er. »Denk an deine Schwester. Willst du sie denn nicht beschützen?«
    Mercy nickte. Sie war zu aufgewühlt, um etwas zu erwidern, deshalb ging sie an ihm vorbei ins Haus, wo Aurelia beim Backen war. Trajan marschierte davon, ins Innere des Hauses, und ließ Mercy mit dem Schmerz ihrer Verwirrung allein am Küchentisch zurück. Wie konnte er sie nur so manipulieren mit seiner Unterste!lung, sie habe Charity in Gefahr gebracht? Sie liebte ihn so sehr und

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