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Das Haus der Madame Rose

Das Haus der Madame Rose

Titel: Das Haus der Madame Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatiana de Rosnay
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Und ich konnte, vom Grauen gepackt, nur zusehen.
    »Tun Sie doch etwas!«, flehte ich den Arzt an. »Sie müssen meinen Sohn retten!«
    Den ganzen Tag umwickelte der junge Doktor Nonant die Lenden meines Sohnes mit vielen Lagen von sauberen Tüchern und träufelte ihm frisches Wasser in den Mund, aber es half nichts. Baptistes Hände und Füße sahen aus wie mit schwarzer Farbe getränkt. Sein rosiges kleines Gesicht war nun trocken und wächsern und hatte eine erschreckende Blaufärbung angenommen. Die runden Wangen waren eingefallen und verliehen ihm die verstörende Fratze einer verschrumpelten Kreatur, die ich nicht mehr wiedererkannte. Seine hohlen Augen hatten keine Tränen mehr. Die Laken tränkten sich mit allem, was er ausschied – schmutzige Rinnsale, die in einem nicht enden wollenden stinkenden Strom aus seinem Körper flossen.
    »Wir müssen für ihn beten«, sagte Père Levasque leise. Du hattest ihn für diese letzten, fürchterlichen Minuten geholt, als wir schließlich begriffen, dass es keine Hoffnung mehr gab. Kerzen wurden angezündet, fieberhaftes Gebetsgemurmel erfüllte den Raum.
    Wenn ich mir dieses Zimmer nun ansehe, erinnere ich mich an das: den Gestank, die Kerzen, die vielen Gebete und Germaines leises Weinen. Du saßt sehr still und sehr gerade neben mir, manchmal nahmst Du meine Hand und drücktest sie. Ich war so benommen vor Trauer, dass ich nicht verstand, wie Du so ruhig bleiben konntest. Und ich erinnere mich, dass ich dachte: Sind Männer im Angesicht des Kindstodes stärker als Frauen, weil sie keine Kinder gebären, weil sie nicht wissen, was es heißt, ein Leben auszutragen und ein Kind auf die Welt zu bringen? Sind Mütter mit ihren Sprösslingen durch ein geheimes, besonderes und körperliches Band verbunden, das Väter nicht spüren können?
    In jener Nacht in diesem Haus sah ich meinen Sohn sterben, und ich hatte das Gefühl, mein Leben glitte in sinnlose Leere ab.
    Im Jahr darauf heiratete Violette ihren Verlobten Laurent Pesquet und zog nach Tours. Doch seit dem Tod meines Kleinen berührte mich nichts mehr.
    Ich beobachtete wie aus weiter Ferne, wie sich mein Leben weiterentwickelte. Ich vegetierte in einer Art stumpfer Trance dahin. Ich erinnere mich, das Du mit Doktor Nonant über mich sprachst. Er kam mich besuchen. Mit einundvierzig Jahren war ich zu alt, um noch ein Kind zu bekommen. Und kein anderes Kind könnte mir Baptiste je ersetzen.
    Aber ich wusste, warum Gott mein Kind zu sich geholt hatte. Ich zittere, während ich das schreibe – aber nicht mehr vor Kälte.
    Vergib mir.

Rue Childebert, den 20. August 1850
    Liebste Rose meines Herzens,
    Dein Schmerz, Dein Kummer sind grenzenlos, ich weiß. Er war so ein lieber, ein so niedlicher Junge, doch leider holte Gott ihn zu sich, und wir können nichts anderes tun, als uns Seiner Wahl zu beugen, meine Liebste. Ich schreibe diese Zeilen am Kamin, der Kerzenschein flackert in der stillen Nacht. Du bist oben in unserem Schlafzimmer und versuchst zur Ruhe zu kommen. Ich weiß nicht, wie ich Dir helfen soll, und komme mir ganz unnütz vor. Ein abscheuliches Gefühl. Könnte doch Maman Odette hier sein, um Dich zu trösten! Aber sie hat uns schon vor langer Zeit verlassen und den Kleinen nicht mehr kennengelernt. Doch sie hätte Dich in diesen schweren Stunden mit ihrer Liebe und Zärtlichkeit umsorgt. Warum sind wir Menschen in solchen Situationen nur so hilflos? Warum verstehen wir es nicht, Trost und Fürsorge zu geben? Ich bin wütend auf mich selbst, der ich hier sitze und Dir schreibe – ich bin ein nutzloser Ehemann, denn ich kann Dich in keiner Weise aufmuntern.
    Seit er letztes Jahr von uns gegangen ist, bist Du ein Geist Deiner selbst. Du bist mager und blass geworden, ohne ein Lächeln auf Deinem Gesicht. Selbst bei der Hochzeit unserer Tochter jüngst, an jenem herrlichen Tag am Fluss, hast Du nicht ein einziges Mal gelächelt. Das fiel allen auf, und natürlich fragten sie nach. Dein Bruder war sehr besorgt, und sogar Deine Mutter, die sonst nie auf Deinen Seelenzustand achtet, sowie Dein neuer Schwiegersohn, ein junger Arzt, sprachen abseits der anderen mit mir darüber. Die einen schlugen eine Reise nach Süden ans Meer vor, andere meinten, das Beste seien Ruhe, nahrhaftes Essen, lange Spaziergänge.
    Dein Blick ist traurig und leer, er bricht mir das Herz. Ach, was soll ich nur tun? Ich ging durch unser Viertel und suchte nach einer Kleinigkeit, einem Schmuckstück, das Dich erfreuen könnte, aber ich

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