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Das Haus der Madame Rose

Das Haus der Madame Rose

Titel: Das Haus der Madame Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatiana de Rosnay
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wieder. Warum brauchen Briefe so lange, um anzukommen? Adèles Vater ist nicht so lustig wie Papa, aber nett. Er raucht Pfeife und bläst einem den Rauch ins Gesicht. Es gibt hier einen großen weißen Hund, vor dem ich zuerst Angst hatte, weil er einen anspringt, aber das ist seine Art, einen zu begrüßen. Er heißt Prince. Können wir auch einen Hund haben? Es gibt auch eine Katze, sie heißt Mélusine, aber sie faucht mich an, und deshalb streichle ich sie nicht. Ich versuche zu schreiben, so gut ich kann. Adèles Bruder korrigiert meine Fehler, er ist ein netter Junge. Ich möchte so sein wie er, wenn ich groß bin. Er ist zehn Jahre älter als ich. Adèle bekam letzte Nacht einen Schreianfall, weil in ihrem Bett eine schrecklich große Spinne war. Maman, bitte sieh in meinem Bett nach, ob dort auch keine Spinnen sind. Ich vermisse Dich und liebe Dich. Grüße an Papa und meine Schwester, in Liebe
    Dein Sohn
    Baptiste Bazelet

Ich spürte eine eisige Hand an meiner Brust und schrie in die Stille hinein. Natürlich war da keiner, keine eisige Hand. Wie sollte mich auch jemand hier unten in meinem Kellerversteck finden? Ich brauche eine Weile, um meinen Herzschlag zu beruhigen und wieder normal zu atmen. Noch immer kann ich das Knarren der Treppe hören, kann die große, fleckige Hand über den Handlauf gleiten sehen, das Innehalten vor meiner Tür spüren, bevor er hereinkommt. Werde ich denn je frei sein? Wird die Angst mich je verlassen? Das Haus beschützt mich nicht länger vor diesem Albtraum. Jemand ist in das Haus eingedrungen. Es ist nicht mehr sicher.
    In mehrere dicke Wolltücher gehüllt, gehe ich mit der Kerze ins Kinderzimmer im obersten Stock. Ich war länger nicht mehr hier oben gewesen, auch nicht, als das Haus noch bewohnt war. Es ist ein länglicher, niedriger Raum mit Balken, und während ich in der Tür stehe, kann ich noch immer die vielen Spielsachen vor mir sehen. Kann unseren Sohn sehen, seine goldenen Locken, sein süßes Gesichtchen. Ich verbrachte Stunden in diesem Zimmer mit Baptiste, ich spielte mit ihm, sang ihm Lieder vor, alles, was ich mit meiner Tochter nie getan hatte, ganz einfach weil sie es nie zugelassen hatte.
    Während ich meine Augen durch den nunmehr leeren Raum wandern lasse, erinnere ich mich an die glückliche Zeit mit dem Kleinen. Du hattest beschlossen, das Haus renovieren und verschiedene Schäden reparieren zu lassen: Löcher im Dach, Risse hier und da, der übliche Verschleiß. Jede Ecke, jeder Winkel wurde inspiziert. Unentwegt kamen Handwerker, das Haus wurde neu gestrichen, das Gebälk ausgebessert, die Böden abgeschliffen. Es war eine fröhliche, gutmütige Truppe, und wir lernten sie gut kennen. Monsieur Alphonse, der Vorarbeiter, hatte einen schwarzen Bart und eine laute Stimme, der rothaarige Ernest war sein Gehilfe. Wöchentlich kamen andere Handwerker für die unterschiedlichen Arbeiten. Montags hast Du immer die Fortschritte begutachtet und Dich mit dem Vorarbeiter besprochen. Es nahm viel Zeit in Anspruch, Du hast Dich intensiv darum gekümmert. Du wolltest, dass das Haus wieder wunderschön aussieht. Dein Vater und Dein Großvater hatten nicht viel richten lassen, nun nahmst Du es auf Dich, das Haus zu sanieren.
    Trotz der Bauarbeiten kamen Freunde zu Besuch oder zum Abendessen. Ich erinnere mich, dass es mich viel Zeit kostete, die Menüs und die Tischordnung auszuarbeiten, zu entscheiden, welches Zimmer für Besucher hergerichtet werden musste. Ich nahm diese Aufgaben sehr ernst. Ich schrieb jedes Menü sorgfältig in ein dafür vorgesehenes Heft, so dass ich meinen Gästen nicht zweimal das Gleiche auftischte. Wie stolz war ich auf unser Haus, wie behaglich und hübsch es an Winterabenden aussah, wenn das Feuer im Kamin brannte und die Lampen ein warmes Licht spendeten! Glückliche Zeiten.
    Während dieses gesegneten Jahrzehnts wuchs Violette zu einem stillen, selbstbezogenen jungen Mädchen heran. Sie war gut in der Schule, sie war ernsthaft, aber wir konnten nur wenig miteinander anfangen. Wir hatten nichts gemeinsam, so wie meine Mutter und ich. Ich glaube, sie sprach eher mit Dir, aber auch Dir war sie nicht nahe. Und für Baptiste interessierte sie sich kaum. Zwischen ihr und ihrem Bruder lagen neun Jahre Altersunterschied. Sie war wie der Mond – silbern, kalt und distanziert – und er war die strahlende Sonne, voller Glut, voller Feuer.
    Baptiste war ein begnadetes Kind. Seine Geburt verlief kurz und schmerzlos – was mich erstaunte,

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