Das Haus der Rajanis
Salim und Salam die Güte hatten, in die französische Sprache zu übersetzen und auf der Türschwelle meines Hauses zu deponieren. Ich werde alsbald dieses Schreiben als exaktes Duplikat in der hebräischen Sprache meinem Tagebuch anheimlegen.
Ungeachtet der Metamorphosen, welche der Brief auf seiner Reise von einer Sprache in die andere erfahren, ist die Emotion des blinden Hasses und der unheilbaren Rachlust in allen unbestreitbarbewahrt. Im Folgenden mithin der Wortlaut des nämlichen Schreibens:
An meine gepriesenen und verehrten Onkel und Cousins in Beirut
Tausend Grüße und Segenswünsche über Euch und Eure Familien. Viele Tage und Wochen sind vergangen, da ich von Euch gehört oder wir einander getroffen, ich vermisse Euch sehr und hoffe inständig, dass es Euch an nichts ermangelt und Ihr gesegnet sein möget mit allem Überfluss und aller Herrlichkeit, welche Allah und sein Prophet Muhammad, Gott segne ihn und schenke ihm Heil, allen muselmanischen Geschöpfen der Welt gewährt.
Diesen Brief schreibe ich Euch mit dem Blute meines Herzens, da Nöte und Übel über unser Gut gekommen.
Die schmerzliche und betrübliche Kunde vom Tode meines Vaters ist Euch bereits zuteil geworden, und in Eurer unermesslichen Güte habt Ihr viele Trostworte und einen Strom von Tränen uns gesandt.
Jetzt aber muss ich eine noch schlimmere Kunde Euch zu Gehör bringen.
Mein Vater starb nicht eines natürlichen Todes, sondern ward gemordet von einem hellhaarigen Mann, welcher auf unserem Anwesen ein und aus geht. Sein Name ist Jacques, und wenn alsbald Ihr herkommt, wie zu erbitten ich mir anmaße, werdet mit Leichtigkeit Ihr ihn demaskieren können, da ein Fremder er unter den Arabern. Niemand weiß, auf welch böse Pläne dieser Mann noch sinnt, aber klar ist, dass das Leben meines teuren und geliebten Vaters er bereits geraubt und ihm jetzt nichts mehr zu tun bleibt, als seine Reißzähne in das geheiligte Land unseres Gutes zu schlagen. Auch ist zur Kenntnis mir gelangt, dass andere aus seinem Volk schon bald ihm nachfolgen werden, uns zu zerstören, und wenn wir
uns nicht erheben, sie zu töten, werden sie großes Unglück über uns bringen.
Daher vernehmt mein Flehen, unverzüglich Euch aufzumachen, ohne Zaudern und ohne Gnade, an der Spitze einer großen Streitmacht, die entweihte Ehre des Toten zu rächen und den Verräter aus dieser Welt schaffen, denn viele sind die Sünden dieses Mannes, der unser Land besudelt und schändet.
Ich bin ein Kind nur und kann diese ehrenvolle, aber schwere Aufgabe auf meinen schmalen Schultern nicht tragen, auch habe ich keine Kenntnis, wie einem Menschen man das Leben nimmt, ja nicht einmal, wie ein Dolch zu halten und in den Leib des Unreinen zu rammen ist, während Ihr in dieser Kunst höchstversiert, der Fertigkeit, unsere ruchlosen Feinde zu töten.
Täglich werde ich aus meinem Fenster schauen, Eures Eintreffens harrend. Bitte verspätet Euch nicht, da große Gefahr von diesem Manne droht, der jeden Tag auf unserem Gute weilt und mich umkreist, und nur Allah in der Höhe weiß, welch Gedanken an Mord und Bluttat er in seinem Hirn wälzt.
Eilt daher, ehe es zu spät.
In banger Erwartung und mit einem Schrei der Verzweiflung und des Flehens verbleibe ich,
Euer Euch liebender Neffe und Freund
Salach Rajani
Eine große Sorge fürwahr ist über mein Leben gekommen in Gestalt dieser Blutrache der Araber, und dies, ohne dass etwas Unrechtes ich getan, für eine Tat, die ganz und gar der kranken Phantasie und Erfindungsgabe von einem entsprungen, der nicht zwischen rechts und links zu unterscheiden weiß, dem jedes Vogelgezwitscher wie ein Dschinn und jeder Schatten oder schwarze Schattenriss wie ein Verderbnis bringender Engel erscheinen mag.
Nachdem ich Salim und Salam um Rat gefragt, habe ich den Wortlaut des Schreibens wie folgt geändert:
An meine gepriesenen und verehrten Onkel und Cousins in Beirut
Tausend Grüße und Segenswünsche über Euch und Eure Familien. Viele Tage und Wochen sind vergangen, da ich von Euch gehört oder wir einander getroffen, ich vermisse Euch sehr und hoffe inständig, dass es Euch an nichts ermangelt und Ihr gesegnet sein möget mit allem Überfluss und aller Herrlichkeit, welche Allah und sein Prophet Muhammad, Gott segne ihn und schenke ihm Heil, allen muselmanischen Geschöpfen der Welt gewährt.
Ich schreibe diesen Brief Euch, Eure Herzen zu beruhigen, da auf dem Anwesen wir allen Überflusses und aller Pracht uns erfreuen. In
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