Das Haus der Sonnen
und kostbaren Juwelen. In deinen Händen wird es sicher sein. Aber du darfst es niemals fallen lassen.«
Anschließend ging ich ins Spielzimmer und betrat das Zimmer im Zimmer, den grünen Kubus des Puppenpalasts. Obwohl der Entwicklungshemmer entfernt worden war, kam es mir unbegreiflich vor, dass mit mir eine Veränderung vorgegangen sein sollte. Ich hatte immer noch das Gefühl, der grüne Kubus und die darin befindliche Landschaft gehörten zu meiner Kindheit. Es ging immer noch eine Lockung davon aus. Allerdings wäre es jetzt unschicklich, unangemessen und sogar ein bisschen pervers gewesen, wenn ich ihn erneut betreten hätte.
Es war etwa einen Monat oder ein Jahr später; ich erinnere mich nicht mehr genau. Doch es kam der Tag, da Madame Kleinfelter mich in ihr Büro rief.
»Es gibt wichtige Neuigkeiten, Abigail.«
Mich durchzuckte jähe Hoffnung. »Geht es um meine Mutter?«
Verlegenheit zeichnete sich in ihrer Miene ab. »Eigentlich nicht. Es hat mehr mit den Familiengeschäften zu tun. Auch wenn du in die näheren Einzelheiten nicht eingeweiht bist, ist es wohl kein großes Geheimnis, dass wir seit dem Waffenstillstand zu kämpfen haben. Die Goldene Stunde benötigt kaum Klone, da es genug Maschinen gibt, die intelligent genug sind, um als Arbeitssklaven dienen zu können. Bislang haben wir uns mühsam über Wasser gehalten, jedoch nur deshalb, weil wir auf den Kleinen Welten eine Handvoll treuer Kunden haben. Offen gesagt, sind die Vorzeichen schon seit mehreren Jahren ungünstig. Und aufgrund der ständigen Arbeiten am Haus, von den Pflegekosten für deine Mutter ganz zu schweigen, sind unsere Rücklagen stetig geschrumpft.« Sie hob den Zeigefinger, bevor ich etwas sagen konnte. »Ich will ganz offen sein: Jahrelang hat man geglaubt, unser Heil liege in einer Verschmelzung der beiden Handelskonzerne. Der kleine Junge, mit dem du immer gespielt hast … gewisse Kreise haben gehofft, eure Freundschaft könnte irgendwann in eine Heirat und eine geschäftliche Allianz münden.« Sie ließ durchklingen, dass diese gewissen Kreise offenbar nicht mit Madame Kleinfelter gerechnet hatten. »Dazu wird es nicht mehr kommen. Sie haben sich mit einem anderen Konzern zusammengetan und uns in der Kälte stehen lassen. Ich fürchte, du wirst deinen Freund vorerst nicht wiedersehen, Abigail – erst dann, wenn du alt genug bist, eigene Entscheidungen zu treffen.«
Endlich wusste ich, weshalb unsere spannungsreiche, von unterschwelliger Boshaftigkeit geprägte Freundschaft ein jähes Ende gefunden hatte. Eigentlich hatte ich keinen Grund, deswegen traurig zu sein, doch andererseits war es auch nicht so, dass ich mich stattdessen hundert anderen Freunden hätte zuwenden können.
Ich schwieg, denn ich spürte, dass Madame Kleinfelter noch mehr zu verkünden hatte.
»Wie ich schon sagte, gibt es eine neue Entwicklung – die möglicherweise sehr günstige Folgen für uns haben könnte. Hast du schon von einer gewissen Ludmilla Marcellin gehört, Abigail?«
»Ich glaube nicht.«
»Im Großen und Ganzen spricht das für dich. Ludmilla Marcellin ist die Erbin einer der reichsten Familien in der Goldenen Stunde. Anders als bei den Gentianern beruht ihr Reichtum jedoch nicht auf speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Naturwissenschaften. Während des Gro ßen Brandes hat sie eine Menge Geld mit dem Handel mit Finanzinstrumenten verdient. Das ist natürlich auch eine Fertigkeit, jedoch nicht vergleichbar mit unserer Expertise auf dem Gebiet des Klonens. Und um das Klonen geht es auch in diesem Fall.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ludmilla Marcellin hat beschlossen, ein neues Projekt auf den Weg zu bringen. Ein ehrgeiziges Projekt, das ihr viele Feinde machen wird – nicht dass sie sich davon jemals hätte von einem Vorhaben abhalten lassen. Sie beabsichtigt, das Sonnensystem zu verlassen und das bekannte Universum zu erkunden. Seit dem Waffenstillstand hat der Marcellin-Konzern zu diesem Zweck Sachverstand und Material gesammelt. Jetzt fehlt noch der letzte Baustein, und an diesem Punkt kommen wir ins Spiel. Ludmilla Marcellin ist auf das Fachwissen der Familie Gentian angewiesen. Sie braucht Klone.«
»Unsere Klone?«
»So ist es, Abigail. Und sie ist bereit, für unsere Dienste zu zahlen. Das ist der Rettungsring, auf den wir gewartet haben; die Gelegenheit, unsere Finanzen in Ordnung zu bringen. Ludmilla Marcellin ist eine Trendsetterin – wo sie hingeht, werden andere ihr nachfolgen. Aber wir müssen
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