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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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zunächst unsere Ernsthaftigkeit unter Beweis stellen. Der Gouverneursausschuss hält es für geraten, dass du dich mit dieser Frau triffst, damit sie sieht, dass die Familie Gentian Zukunft hat.«
    »Wird sie hierher kommen?«
    »Nein, wir müssen zu ihr fliegen.«
    »Ich habe das Haus noch nie verlassen.«
    »Es gibt immer ein erstes Mal«, sagte Madame Kleinfelter, dann entließ sie mich.
     
    Bald darauf wurde ich zur Shuttle-Plattform geleitet und verließ zum ersten Mal mein Zuhause. Ich wurde von dem Planetoiden fortgerissen, und nun sah ich das Haus endlich so, wie es wirklich war: eine Art wuchernder Architekturpilz, der sich von Horizont zu Horizont erstreckte. Meine eigene Welt war größer gewesen, denn sie umfasste auch die Welt-in-der-Welt des Puppenpalasts. Als sie jetzt, durch die Abgase des Shuttles in Nebel gehüllt, hinter mir zurückfiel, wurde mir bewusst, wie jämmerlich klein und begrenzt sie gewesen war.
    Das Shuttle flog mit mir durch das dicht besiedelte Zentrum der Goldenen Stunde, wo der Himmel gesprenkelt war von falschen Sternen und den wandelbaren Konstellationen der dicht gepackten Kleinen Welten. Inzwischen hatte ich alles über Ludmilla Marcellin gelesen, was ich finden konnte, doch obwohl der Infowürfel inzwischen mitteilsamer war als in meiner Kindheit, hatte er mir nichts über ihre Pläne zur Erkundung des Universums verraten. Ich dachte an eine Bemerkung, die der kleine Junge bei einem seiner Besuche hatte fallen lassen. Er hatte gemeint, eines Tages werde die Menschheit von der Goldenen Stunde aus in die Weite der Galaxis aufbrechen. Das waren die Worte seines Vaters gewesen, doch er hatte daran geglaubt. Ich hatte erwidert, dort draußen gäbe es nichts, was sich zu sehen lohne, denn die Sonden und Teleskope hätten uns bereits alle möglichen Informationen über andere Planeten geliefert. Jetzt fragte ich mich, ob Ludmilla Marcellin etwas wusste, das mir unbekannt war.
    Vor meiner Audienz bei der Familienerbin durfte ich mir ihren Raumschiffpark anschauen. Das Shuttle flog durch einen Sicherheitskordon und gelangte in das Hoheitsgebiet eines kleinen, kugelförmigen Asteroiden. Um den Asteroiden kreisten zahlreiche hässliche Raumschiffe. Schiffe dieser Größe hatte ich noch nie gesehen und auch nicht von ihnen gelesen. An einigen Schiffen waren Baugerüste. Hin und wieder leuchtete ein Schweißgerät auf oder ein Laser, und man sah eine Handvoll Arbeiter in Raumanzügen, doch für mein ungeübtes Auge sah es nicht so aus, als gäbe es noch viel zu tun. Ich zählte fünfunddreißig Raumschiffe, dann stieg vom Asteroiden langsam das sechsunddreißigste auf.
    Der Felsbrocken war in der Mitte aufgebohrt, wie ein Apfel am Stiel. Unser ferngesteuertes Shuttle flog durch die Öffnung. Wir kamen dem startenden Raumschiff ganz nahe; sein Rumpf glitt in wenigen Metern Abstand an den Shuttle-Fenstern vorbei. Es glich den anderen Raumschiffen, abgesehen davon, dass die blumenartige Öffnung an der Vorderseite verschlossen war. Platz würden wir erst dann haben, wenn das spitznasige Raumfahrzeug den Asteroiden hinter sich gelassen hatte.
    Die Raumschiffe, erfuhr ich später, waren Bussardkollektoren – schon vor tausend Jahren hatte man von solchen Schiffen geträumt, sie aber nie gebaut. Die bislang einzige interstellare Expedition hatte ein Fünftel Lichtgeschwindigkeit erreicht, doch diese Schiffe konnten viel schneller fliegen. Wenn sie aufhörten zu beschleunigen – wenn sich die Reibung der Ansaugfelder und der erzielbare Schub gegenseitig aufhoben -, würden die Bussardkollektoren mit acht Zehntel Lichtgeschwindigkeit fliegen. Während des Hin- und Rückflugs zu den nächsten Sternen würden zu Hause nur etwa zehn Jahre verstreichen.
    Ludmilla Marcellin aber beabsichtigte etwas anderes. Sie wollte viel weiter fliegen. Sie hatte nicht die Absicht, zur Goldenen Stunde zurückzukehren.
    Wir flogen in den Konstruktionsasteroiden hinein. Er wurde von innen nach außen ausgehöhlt. In der Mitte befand sich ein kugelförmiger Hohlraum, der sich in dem Maße erweiterte, wie Material entnommen und in Raumschiffe verwandelt wurde. Die Rümpfe unfertiger Raumschiffe – von denen einige kurz vor der Fertigstellung standen, während andere mehr Ähnlichkeit mit Skeletten hatten – bildeten einen nach innen weisenden Wald. Es gab Hunderte Schiffe, doch wenn Ludmilla Marcellin fertig war, würde es noch Hunderte mehr geben. Der Asteroid würde nahezu verbraucht sein; übrig wäre nur noch

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