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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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sondern auch zu zerstören.
    »Ich hatte gehofft, Sie würden mir freiwillig sagen, was Sie über das Haus der Sonnen wissen«, fuhr Mezereum fort. »Das wäre einfacher für uns alle und würde uns eine Menge Unannehmlichkeiten ersparen. Aber so soll es wohl nicht sein. Ich werde Sie jetzt aus der Stasis in die Realzeit zurückholen. Es ist nicht auszuschließen, dass Sie den Übergang nicht überleben werden. Falls Sie überleben, wird die Befragung fortgesetzt. Wenn ich einen lebendigen Körper vor mir habe, werde ich ihn tranchieren. Wissen Sie, was das bedeutet, Dorn? Natürlich wissen Sie das – schließlich sind Sie weit herumgekommen. Sie haben schreckliche, grauenhafte Dinge gesehen. Das haben wir alle. Jetzt werden Sie selbst ein solches Schauspiel bieten – es sei denn, Sie reden.«
    »Ich weiß nichts über das Haus der Sonnen«, sagte er. In seiner Stimme schwang jedoch ein neuer Ton mit. Er hatte Angst; die Maske des Trotzes bekam erste Risse.
    Mezereum streckte die Hand nach dem Hebel aus. »Die Einstellung befindet sich bei der Einhunderter-Markierung. Wir gehen jetzt auf zehn.«
    Sie schob den Hebel nach links, bis zur vorletzten Markierung. Die Stasiskammer gab ein ächzendes, in der Tonhöhe abfallendes Geräusch von sich, als werde eine riesige Turbine plötzlich abgebremst. Die Anzeigen zitterten und registrierten unvorhergesehene, ungedämpfte Erschütterungen des Zeitgefüges.
    Mezereum justierte ihr Chronometer nach, bis sie sich Dorns subjektivem Zeitablauf angepasst hatte. Die übrigen Anwesenden taten es ihr nach.
    »Ich werde jetzt jeden Moment auf null gehen. Das ist für Sie die letzte Gelegenheit, uns zu sagen, was wir wissen wollen. Weshalb haben Sie uns angegriffen? Was hat es mit dem Haus der Sonnen auf sich?«
    »Das werden Sie nicht wagen«, sagte Dorn. »Sie brauchen mich lebend. Solange ich hier drinnen bin, besteht die Möglichkeit, dass ich Ihnen etwas verrate, auch wenn Sie mich nicht zu einer Aussage zwingen können.«
    »Weshalb haben Sie uns angegriffen?«
    »Sie haben es sich selbst zuzuschreiben.«
    »Was hat es mit dem Haus der Sonnen auf sich?«
    »Das werden Sie nie erfahren.«
    Mezereum verstellte die Wählscheibe des Chronometers. Ihre Bewegungen beschleunigten sich von meiner Warte aus, als die Droge sie in den normalen Zeitablauf zurückversetzte. Ich streckte die Hand nach meinem Chronometer aus, doch ehe ich es verstellen konnte, riss Mezereum den Hebel ganz nach links. Die Kammer flackerte und gab ein hustendes Geräusch von sich.
    Ich wusste sofort, dass Dorn gestorben war; ein sicheres Wiedereintreten in die Normalzeit hörte sich anders an.
    Die technischen Details der Stasis-Technologie haben mich nie interessiert. Ich habe davon nur begriffen, dass der Insasse der Kammer in einer Raumzeit-Blase eingeschlossen ist, die von der Umgebung durch eine mikroskopische Membran getrennt ist, vergleichbar dem dünnen Häutchen, welches das Eiweiß umgibt. Wenn die Blase sich dem normalen Zeitablauf annähert, sollte sich das Interface zwischen der Blase und der äußeren Raumzeit eigentlich in die Quantenunbestimmtheit verflüchtigen. Meistens passiert das auch. Hin und wieder, meistens bei alten oder schlecht konstruierten Kammern, verhält sich die Grenzmembran jedoch anders. Sie bleibt am Inhalt der Blase wie ein Klebstoff haften. Im Moment des Versagens reißt das Innere der Blase auf und drängt nach außen, wobei deren Inhalt gegen die undurchdringliche Barriere der hautengen Membran gedrückt wird.
    Wir bezeichnen den Vorgang als Enthülsen.
    Eben dies war mit Dorn geschehen. Seine zerfetzten Einzelteile und die Trümmer seines Throns prasselten auf den harten Boden des Podests. Mezereum kniete nieder und suchte, bis sie ein Stück seines Gesichts gefunden hatte. Es glich dem Tonabdruck eines Entsetzen mimenden Schauspielers; der Ton war so stark gebrannt worden, dass er glänzte.
    »Du hättest noch warten sollen«, sagte Hederich, sich erhebend. »Er hat uns nicht genug gesagt.«
    »Er hat mir alles gesagt, was er sagen wollte«, entgegnete Mezereum ungerührt. »Es war zwecklos, ihn davon überzeugen zu wollen, dass ich es ernst meinte. Ich musste es darauf ankommen lassen.«
    »Jetzt haben wir einen Gefangenen weniger.«
    »Es sind immer noch drei übrig. Jetzt kann ich ihnen die leere Stasiskammer zeigen und ihnen beweisen, dass ich es ernst meine.« Sie reckte das gehärtete Stück Fleisch wie eine Trophäe. »Außerdem werden sie sein Gesicht

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