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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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gestellt hatte.
    »Ich habe unendlich viel Zeit«, sagte sie. »Ihre Zeit nimmt leider von Stunde zu Stunde ab. Ich kann so lange an Ihnen herumschnipseln, bis Sie nur noch so viele Nerven wie eine Languste haben.« Sie hob die Pistole, justierte den Leistungsregler geringfügig nach und zielte auf die Scheibe zu ihrer Rechten. »Spüren Sie schon einen Unterschied, Grilse? Bin ich zu schnell? Trüben sich Ihre Gedanken? Fällt es Ihnen immer schwerer, sich daran zu erinnern, wie Sie hierhergekommen und weshalb Sie unser Gefangener sind?« Sie schützte die Augen mit der freien Hand und betätigte den Abzug der Energiepistole. Eine Lanze aus scharlachrotem Licht traf die Scheibe. Sie hatte auf den Kopf gezielt. Die Scheibe zersprang nicht, doch die Waffe bohrte ein säuberliches Loch durch Grilses Gehirnquerschnitt; das Gewebe verbrannte in einem dunkelrandigen, sich weitenden Kreis. »Spüren Sie den Unterschied, Grilse? Sie werden keinen Schmerz empfunden haben, aber soeben sind ein paar Milliarden Ihrer Gehirnzellen zerstört worden. Es sind immer noch Hunderte Milliarden übrig, doch wir wissen beide, dass der Vorrat nicht unerschöpflich ist. Die Scheiben kompensieren den Schaden, doch Sie können nicht die Erinnerungen wiederherstellen, die Sie soeben verloren haben. Bedauerlicherweise können Sie nicht einmal wissen, dass Sie etwas verloren haben. Sie fühlen sich einfach nur ein bisschen leerer, zerstreuter, wie ein Raum, aus dem man das Mobiliar entfernt hat.«
    »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß«, dröhnte seine Stimme.
    »Ich glaube Ihnen nicht.«
    »Wie kommen Sie eigentlich darauf, ich wüsste mehr, als für die Durchführung der Operation unbedingt notwendig war?«
    »Vielleicht waren Sie ja an der Planung beteiligt – das ist zumindest eine theoretische Möglichkeit. Solange ich nicht mehr über den Aufbau und den Umfang des Hauses der Sonnen weiß, kann ich diese Möglichkeit nicht ausschlie ßen.« Mezereum schritt zu einer anderen Scheibe, die sechs Reihen entfernt war. »Ich glaube trotzdem nicht, dass Sie mir alles gesagt haben, selbst wenn Sie keine tragende Rolle gespielt haben sollten.« Sie zielte wieder mit der Energiepistole und schoss ihm in den Bauch. Diesmal schrie Grilse. Die Querschnitte des Mosaiks zuckten unter der Glasabdeckung. »Ja«, sagte Mezereum anerkennend. »Das war ein Nervenstrang. Das hat bestimmt richtig wehgetan. Vielleicht tut es ja immer noch weh?«
    »Sie hat vollkommen die Kontrolle verloren«, flüsterte ich Portula zu.
    »Das war zu erwarten.«
    Ich musterte die Sitzreihen, bis ich Akonit, Valeria und die anderen Splitterlinge ausgemacht hatte, die Mezereum eigentlich hätten beaufsichtigen sollen. Sie trugen noch Trauerkleidung und bildeten eine schwarze Gruppe. Betonie saß zwei Reihen hinter ihnen neben Hederich.
    »Warte hier«, sagte ich.
    »Hast du nicht schon genug Probleme?«
    »Man hat mir verboten, den Befragungsraum zu betreten. Das hier ist ein öffentlicher Ort.«
    Ich ging zu Akonit und den anderen hinüber, während Mezereum Grilses Folter fortsetzte. Auf halbem Weg vernahm ich das Knistern einer weiteren Energieentladung. Diesmal wurde nicht geschrien, was bedeutete, dass sie wohl abermals das Gehirn getroffen hatte.
    »Campion«, sagte Akonit und klopfte auf den freien Platz an seiner Seite. »Setz dich, alter Mann. Sie ist gut in Form, findest du nicht?«
    »Für eine Wahnsinnige, ja.«
    »Sie legt einen gewissen … Eifer an den Tag. Alles andere hätte mich auch gewundert.«
    »Sie hat drei Gefangene enthülst. Ihr könnt von Glück reden, wenn am Ende des Tages noch etwas von Grilse übrig ist.«
    »Das weiß auch er. Merkst du nicht, dass er kurz vor einem Geständnis steht?«
    »Er steht kurz davor, das Sprachzentrum zu verlieren.«
    Valeria hüstelte und murmelte: »Da hat Campion Recht. Wir haben ihr zu große Freiheiten gelassen. Sie meint es gut, und keiner von uns hat etwas für Grilse übrig, aber was zählt, ist, dass wir Informationen von ihm bekommen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Sicherheit der Familie durch persönliche Gefühle beeinträchtigt wird.«
    »Meinst du, wir sollten sie bremsen?«, fragte Melilo, deren Äußerung von einer weiteren Energieentladung begleitet wurde. »Das wird gegenüber unseren Gästen keinen guten Eindruck machen.«
    »Einen guten Eindruck macht dieses Spektakel auch nicht«, sagte ich. »Ich finde, das sieht aus wie eine sanktionierte Folter als reiner Selbstzweck.«
    »Und wie

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