Das Haus der Sonnen
Portula hat nicht geantwortet.«
»Das beweist, dass sie die Aktion nicht zu verantworten hat.«
»Wie das?«
»Portula wäre niemals gestartet, ohne uns Bescheid zu geben, Betonie – sie hätte gewollt, dass wir ihre Motive verstehen.«
»Vielleicht meldet sie sich später, wenn sie sich sicher fühlt.«
»Sie meldet sich nicht, weil sie sich nicht melden kann . Irgendetwas ist da passiert.« So allmählich, wie sich am klaren Himmel eine Gewitterwolke bildet, formte sich ein hässlicher Gedanke: Vielleicht war Portula ja gar nicht mehr am Leben? Ich schob den Gedanken beiseite, doch er meldete sich hartnäckig zurück. Wenn die Robots aus irgendeinem Grund beschlossen haben sollten, ihr das Schiff abzunehmen, anstatt die Übergabe abzuwarten, hätten sie Portula mühelos töten können.
»Ich muss in den Orbit«, wiederholte ich.
»Wir fliegen hoch.« Betonie fasste mich grob am Ellbogen. »Campion, hör mir genau zu. Wir hatten Meinungsverschiedenheiten. Ich verlange nicht, dass du mich magst oder mir auch nur verzeihst, was ich Portula angetan habe. Aber ich hatte meine Gründe, das musst du mir glauben – ich habe an die Familie gedacht, an dieses unglaublich fragile, unglaublich kostbare Gebilde. Ich wollte demonstrieren, dass wir mehr denn je auf Disziplin angewiesen sind. Es ging dabei nicht um persönliche Motive; ich habe mich nicht von Rachsucht leiten lassen. Und weißt du was? Ich gebe zu, dass es ein Fehler war, Mezereum die Leitung der Befragung zu überlassen. Aber ich bin auch kein Unmensch. Wenn du mir verzeihst, was ich deiner Ansicht nach dir oder Portula angetan habe, bin ich im Gegenzug bereit, über deine Kränkungen und deine anmaßende Haltung gegenüber der Familie hinwegzusehen. Ich reiche dir die Hand der Freundschaft und des Verzeihens. Wenn Portula etwas Falsches getan hat, sollte man ihr Gelegenheit geben, es wiedergutzumachen. Wenn nicht, hat sie Anspruch auf unsere bedingungslose Unterstützung. Ich werde den Antrieb meines Schiffes bis zum Äußersten beanspruchen, um sie einzuholen, und ich weiß, dass du das Gleiche tun wirst. Die übrigen achtundvierzig Splitterlinge sehen das genauso wie ich.«
Ich wartete einen Moment, dann sagte ich: »Ansprache beendet?«
»Ich habe gesagt, was ich loswerden wollte. Wenn du mitkommen willst, mein Shuttle steht bereit, uns in den Orbit zu bringen. Wenn du die Vorstellung, mit mir zusammen zu fliegen, nicht erträgst, kannst du mit Akonit oder Rainfarn mitfliegen.«
Nach kurzem Überlegen sagte ich: »Lass uns starten.«
Die Familienregeln verlangten, dass unsere Raumschiffe sich in ständiger Flugbereitschaft befanden, damit wir unverzüglich in den interstellaren Raum flüchten konnten, falls die Patrouillen die Annäherung gegnerischer Raumfahrzeuge melden sollten. Der Gedanke an eine schnelle Flucht war uns auf Neume stets gegenwärtig. Somit waren wir in der Lage, dem Planeten von einer Stunde auf die andere für immer Lebewohl zu sagen.
Das bedeutete jedoch nicht, dass alle verbliebenen Raumschiffe der Silberschwingen nachjagen würden. Dies war eine unerwartete Entwicklung, jedoch kein Grund, Großalarm zu geben – Galgant war mit seiner Königin der Nacht auf Patrouille und hatte keine Eindringlinge gemeldet; es gab keinerlei Hinweis darauf, dass eine gegnerische Flotte aus interstellarer Geschwindigkeit verzögerte. Die Familie würde ihre Arbeit, wenn auch in verminderter Zahl, fortsetzen. Außerdem war mindestens die Hälfte der verbliebenen fünfunddreißig Raumschiffe zu langsam, um mit Portula mithalten zu können, und weniger als zehn hatten überhaupt Aussicht, sie einzuholen. Drei waren bereits ohne ihre Besitzer gestartet. Die Bummelant hätte ohne den Umbau, den sie Ateshga zu verdanken hatte, zu den langsamsten Schiffen gehört. So aber war sie ein Grenzfall – um die Silberschwingen einzuholen, hätte man den Antrieb bis weit in den roten Bereich belasten müssen, und ich hatte keine Ahnung, wie sie darauf reagieren würde.
»Wir funken sie ständig an«, sagte Betonie, als er das Shuttle in Flitzentfernung zur Bummelant brachte, »aber sie hat sich immer noch nicht gemeldet. Falls die Robots das Kommando übernommen haben sollten, haben sie jedenfalls noch keine Forderungen an uns gestellt.«
Sie brauchen nichts von uns, dachte ich. »Liegen schon Erkenntnisse über den Kurs vor?«
»Das Schiff bewegt sich auf das galaktische Zentrum zu, parallel zur Scheibe. Wenn es den interstellaren Raum erreicht
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