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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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Seine Rüstung war verbogen, ein Arm hatte sich vom Oberkörper gelöst. Dennoch fanden sich keine Anzeichen einer körperlichen Verletzung, und schließlich stellte der Mann fest, dass er lediglich eine leere Hülle vor sich hatte – eine Rüstung ohne Kämpfer. Jetzt wurde ihm klar, weshalb die Pferde so mager und so schnell gewesen waren. Sie brauchten nur das Gewicht der Rüstung zu tragen, nicht das von Kämpfern.
    Und so erfuhren wir von den Gespenstersoldaten. Im Verlauf der nächsten Wochen trafen aus dem ganzen Königreich gleichlautende Berichte ein. Die Soldaten bewegten sich so schnell, dass sie die Grenze an Orten überqueren konnten, wo es bisher noch niemand gewagt hatte. Bei Nacht bewegten sie sich so sicher, als wäre es helllichter Tag. Ihre Pferde stanken nach Tod und Verwesung, als handelte es sich um wiederbelebte Kadaver. Niemals wurde beobachtet, dass sie gegrast oder gesoffen hätten, und selbst bei größter Kälte bildeten sich vor ihren Nüstern keine Atemwolken.
    Und sie waren zahlreich. Was immer Calidris anstellte, es erforderte lediglich die Herstellung von Rüstungen. Unsere Waffenschmiede hätten noch so emsig arbeiten können, es hätte doch keinen Unterschied gemacht; wir hatten einfach nicht genug tüchtige Soldaten, um so viele Rüstungen anzulegen, wie wir Kämpfer gebraucht hätten.
    Da wurde mir klar, dass wir auf Relictus angewiesen waren und dass ich mir keine Skrupel leisten konnte.

Fünfundzwanzig
     
     
     
     
     
    Fasziniert vom Knattern der bunten Fahnen, die einen angenehmen Kontrast zum blauen Himmel bildeten, vertrat ich mir gerade die Beine auf einer der Brücken Ymirs, als Betonie sich zu mir gesellte.
    »Campion«, sagte er und stellte den Kragen seines schwarzen Mantels hoch, um sich vor dem Wind zu schützen.
    »Ist Mezereum schon fertig?«
    »Es geht um Portula. Wir haben soeben eine beunruhigende Nachricht erhalten.«
    Der Wind hatte mir bis jetzt nicht zu schaffen gemacht, doch auf einmal drang mir die Kälte bis ins Mark. »Was ist passiert?«
    »Wir wissen nur, dass sie zusammen mit den Robots zur Silberschwingen hochgeflogen ist. Ihr Raumschiff hat ohne Vorankündigung den Orbit verlassen. Anscheinend fliegt sie mit Maximalbeschleunigung von Neume weg.«
    Ich musste mich am Brückengeländer festhalten. Die Nachricht hatte mich so unerwartet getroffen wie ein Schwindelanfall. »Wann ist sie gestartet?«
    »Vor einer knappen Viertelstunde. Ich bin gleich zu dir gekommen.«
    »Ich muss in den Orbit.«
    »Alle Shuttles sind derzeit in Gebrauch. Ich fliege in ein paar Minuten hoch – du kannst gern mitkommen. Wenn du willst, setze ich dich auf der Bummelant ab, bevor ich an der Blauen Adonis andocke.«
    Ich war so benommen, dass ich sein freundliches Angebot kaum zur Kenntnis nahm. »Was ist mit den anderen Schiffen?«
    »Drei sind ohne Besatzung gestartet. Sie haben den Orbit bereits verlassen und nehmen die Verfolgung der Silberschwingen auf. Einholen können sie sie nicht, aber sie werden wenigstens …«
    »… in Schussweite kommen«, kam ich ihm zuvor.
    »Es ist noch nichts in Stein gemeißelt, aber wir dürfen auch nichts ausschließen. Es ist noch unklar, was dort oben passiert ist, Campion, aber wir wissen jedenfalls, dass es anders geplant war. Ich sage nicht, wir sollten sie ohne Vorwarnung abschießen – das wäre die allerletzte Option. Aber wenn wir die Silberschwingen beschädigen und längsseits gehen könnten …«
    »Ich weiß, was du denkst. Aber Portula würde niemals ihr eigenes Schiff kapern.«
    »Es hat ihr nicht gepasst, dass sie es den Robots überlassen sollte.«
    »Hätte dir das an ihrer Stelle etwa geschmeckt?« Ich schüttelte zornig den Kopf. »Das sieht Portula gar nicht ähnlich. Sie wollte die Silberschwingen an die Robots übergeben und mit erhobenem Kopf zurückkommen.«
    »Was ist also passiert, was meinst du?«
    »Ich habe diese beiden Robots noch nie gemocht.«
    »Glaubst du etwa, sie hätten das Schiff gekapert?« Betonie funkelte mich wütend an. »Sie hätten es doch ohnehin bekommen, Campion – weshalb sollten sie es kapern, wenn sie nur die Übergabe hätten abzuwarten brauchen?«
    »Das weiß ich auch nicht. Ich habe bloß gesagt, dass ich sie nicht mag. Und behaupte ja nicht, ich hätte eine Maschinenphobie. Mit Hesperus hatte ich keine Probleme.« Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Hat schon jemand versucht, sie anzufunken?«
    »Das haben wir gleich als Erstes versucht, als sie den Orbit verlassen hat. Aber

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