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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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flackernden Feuer der Nomaden, die wie die glänzenden Perlen einer ausgerollten Halskette auf den Hügeln lagen.
    Am folgenden Morgen blickten sie auf die Strecke, die sie bereits zurückgelegt hatten, und warfen einen letzten Blick auf das ferne Lhasa.
    Zwei Tage später stiegen sie in das Tal des Brahmaputra-Flusses hinunter. Sie überquerten den breiten Flusslauf auf einer Seilfähre. Das flache Boot wurde von mehreren Männern mithilfe eines dicken schwarzen Taus, welches von einem Ufer zum anderen gespannt war, über den Strom gezogen. Allmählich taten Sum Sum die Füße weh.
    Als sie die Stadt Chidisho erreichten, wo sie auf eine Karawane von Pferden und Yaks trafen, die sich auf dem Weg nach Südwesten zu den kleinen Weilern in den Ausläufern des Himalaya befanden, brachen sie beide vor Erschöpfung fast zusammen. Sie stärkten sich mit tsampa und Buttertee. Einer der Kaufleute sagte ihnen, dass sich die Salzkarawane, die aus dreißig Yaks mit schweren Satteltaschen bestand, bei Tagesanbruch auf den Weg machen werde. Für einen Tael Silber, so bot er ihnen an, würden sie sie mitnehmen. Sie könnten sich dann sogar ein Pferd teilen.
    Die nächsten beiden Wochen wurden sie vom ständigen Hufgeklapper und dem Zischen von Peitschen begleitet. Tormam war als junges Mädchen viel geritten, also nahm sie die Zügel, während Sum Sum hinter ihr saß. Ihre Schultertaschen hatten sie an den Sattelknauf gebunden. Sie ritten über schmale Bergpässe und überquerten halb zugefrorene Flüsse. Die Yak-Hirten schnalzten dabei immer wieder mit der Zunge, um ihre Tiere zu beruhigen und zu leiten, wobei sie stets ein wachsames Auge auf das Leittier hatten, dem sie rote Quasten an die Ohren gebunden und eine Gebetsfahne in das Geschirr auf seinem Rücken gesteckt hatten. Außerdem hatten sie eine Schnur mit mehreren Glöckchen an seinem Schwanz befestigt. Falls das Leittier den Halt verlor und in eine der unzähligen Felsspalten stürzte, würden die Glöckchen die gesamte Karawane warnen. Glücklicherweise passierte das jedoch nur ein einziges Mal. Danach klopfte Sum Sums Herz jedes Mal bis zum Hals, wenn ihr Pferd wieherte.
    Bei Einbruch der Dunkelheit schlugen sie ihr Lager auf und drängten sich dann in jurtenähnlichen Leinwandzel ten zusammen. Sum Sum, die sich beim Reiten schon nach kurzer Zeit wund gerieben hatte, ließ sich vorsichtig neben Tormam auf die Schaffelle nieder, die auf dem Boden ausgebreitet waren. Um die Schakale und Wölfe fernzuhalten, hatte man ein Feuer entzündet. Sie aßen tsampa und altbackene Brotfladen, wobei sie jede Mahlzeit damit begannen, dass sie ihre Finger in das tsampa eintauchten und dann ein wenig davon in alle vier Himmelsrichtungen warfen. Dies sollte ihnen Glück bringen.
    Im Morgengrauen streuten die Kaufleute Salz in das Feuer, um sich des Beistands der Berggötter zu vergewissern. Knisterte das Feuer, wenn das Salz hineinfiel, bedeutete das, dass das Wetter ruhig blieb. Brannte das Feuer, ohne zu knistern, weiter, hieß das, dass ein Sturm aufzog.
    Sie kamen an kleinen Dörfern vorbei, die nur zehn oder zwölf Häuser zählten. Ansiedlungen, die die Hirten Shopanup, Lhuntse Dzong und Jhor nannten. Die Namen sagten Sum Sum nichts.
    Der Weg der Karawane endete an einer kleinen Handelsniederlassung, die aus einer Ansammlung steinerner Hütten bestand und in einem Tal mit saftig grüner Vegetation und unzähligen summenden Insekten lag. Sum Sum saß ab und streichelte ihrem Pferd das weiche Maul. Sie verschränkte die Hände hinter dem Kopf und streckte sich. Der lange Ritt hatte ihre Pobacken und Oberschenkel über alle Maßen strapaziert.
    Sie rasteten hier einen Tag lang, um wieder zu Kräften zu kommen, und genehmigten sich ausnahmsweise ein üppiges Abendessen, das aus Gerstensuppe, Rübenklößchen und mit Paprika gefülltem Fladenbrot bestand. Sum Sum füllte ihre Lebensmittelvorräte auf und ihre Ledertaschen wieder mit Tee, Butter und Gerstenmehl. Sie sammelte auch mehrere Hände voll Yakhaar als Schutz gegen die Kälte, außerdem Zunder und Rindenmulch, um Feuer machen zu können.
    Am Morgen zog Sum Sum Jampas Schriftrolle auseinander und sah sich die alte Landkarte noch einmal genau an. Direkt vor ihren Augen sollte sich eine der eingezeichneten Landmarken befinden. Sie sah in Richtung der aufgehenden Sonne und versuchte sich zu orientieren. Die Kaufleute gaben ihnen getrocknetes Fleisch und einen frischen Vorrat an Streichhölzern mit auf die Reise. Sie winkten ihnen

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