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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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Kopf tanzte dabei regelrecht auf seinen Schultern. »Sie sind ein überaus erfreulicher Anblick, und wenn ich mir die kühne Bemerkung erlauben darf, Sie erinnern mich an die Kühe aus meinem Dorf in der Nähe von Hyderabad.«
    »Kühe, lah ?«
    »Ja, auch das sind überaus einnehmende Wesen. Mit kräftigen Eutern und edlem Körperbau, bibi .« Er hielt die Hände mit den Handflächen zur Decke gedreht und legte den Kopf beschwichtigend zur Seite. »In meinem Heimatdorf haben wir wirklich sehr schöne Rinder. Ihre Augen sind wie funkelndes Wasser, das über die Kieselsteine eines verzauberten Bergbaches fließt.«
    Sum Sums Gesicht strahlte. Sie sah den gepflegten Inder an und errötete.
    Stan rutschte verlegen auf seinem Stuhl hin und her. »Aziz ist ein Mann mit erlesenem Geschmack. Er sagt nur selten etwas, aber wenn er es tut, dann hört sich das immer sehr poetisch an, finden Sie nicht auch?«
    »Für einen Inder Sie haben sehr helle Haut«, bemerkte Sum Sum jetzt.
    »Mein Großvater hatte afghanisches Blut in seinen Adern.«
    Aziz wackelte wieder mit dem Kopf, während ein jungenhaftes Grinsen auf seinem Gesicht erschien.
    »Warum indische Männer ruckeln und zuckeln denn immer so mit Kopf, lah ?«, fragte Sum Sum.
    Aziz hob den Finger wie ein Professor. »Diese Geste sagt Ihnen ohne Worte, dass Sie mir vertrauen können, dass ich Ihnen nichts Böses will. Dass ich Ihr getreuer Freund bin.«
    Sein Finger streifte jetzt Sum Sums Handrücken. Sie spürte tief in ihrem Inneren ein warmes Kribbeln, das in ihrem Bauch begann und sich dann langsam über ihre Brust ausbreitete.
    »Aiyoo sami!« Sie wand sich verlegen. »Sie sprechen wie Schlange in Gras. Hören Sie auf mit reden und essen Sie, lah . Zu viel Reden macht Verstopfung!«
    Die Tage zogen sich so endlos dahin wie das Meer, das sich vor ihnen ausbreitete. Die beiden jungen Frauen vertrieben sich die Zeit mit Schabernack. Sie steckten Trauben in die Schuhe der Passagiere, die vor den Kabinentüren standen, oder erzählten den chinesischen Kabinenstewards fantastische Geschichten. So behaupteten sie, siamesische Prinzessinnen zu sein, die von zu Hause weggelaufen seien, um in ein katholisches Nonnenkloster einzutreten. Nachmittags nahmen sie oft an Shuffleboard-Wettkämpfen teil und gingen zum Tanztee, während sie abends auf dem Lido-Deck saßen und aus hohen Gläsern Limonade tranken.
    Aziz erklärte Sum Sum die Sternbilder am Himmel und sang ihr Volkslieder auf Urdu vor. »Wenn wir nur Galileos Teleskop hätten, bibi , dann könnte ich Ihnen sogar die am weitesten entfernten Planeten zeigen.«
    Sum Sum hatte keine Ahnung, was er damit meinte. Ein Fernrohr vielleicht? Es war ihr im Grunde auch egal. Sie saßen stundenlang in nächtlicher Dunkelheit an Deck, bis Lu See, die mit Stan im Salon Canasta gespielt hatte, sie suchen kam.
    Das Schiff verließ gerade den Hafen von Colombo. Da Sum Sum anderweitig beschäftigt war, lieh sich Lu See von Stan Farrell Aquarellfarben und Pinsel aus und machte sich daran, ein paar Seestücke und Porträts der Stewards zu malen. Stan reckte den Hals, um einen Blick auf ihre Bilder werfen zu können, dann sagte er: »Also wissen Sie, Lucy, Sie sind ziemlich gut. Hatten Sie schon einmal einen Pinsel in der Hand?«
    »Ja, aber nur, um die Gartenmöbel zu streichen«, erwiderte sie mit einem Kichern, bevor sie zugab, dass sie Zeichenunterricht gehabt hatte. Sie blickte sich um.
    »Haben Sie eine Ahnung, wo Sum Sum ist?«
    »Sie ist mit Aziz unterwegs.«
    »Die beiden sind jetzt schon eine Ewigkeit weg.«
    »Wahrscheinlich bringt er ihr noch ein paar Volkslieder auf Urdu bei.«
    Lu See wusch ihre Pinsel in einem Krug mit Wasser aus und streifte sie dann an einem Stück Zeitungspapier ab. Sie hatte sie gerade mit einem Lumpen abgetrocknet, als ihr ein Mann auffiel, der, etwa zwanzig Meter entfernt, neben einer Gruppe von Liegestühlen stand und in ihre Richtung sah. Er trug einen Hut, den er tief in sein Gesicht gezogen hatte.
    Wie seltsam, dachte sie, als sie ihre Pinsel wegpackte, eine seiner Schultern hängt herunter.
    Neun Tage später kam der gelbe Basalt des Gateway of India, jenes Monuments, das gleichzeitig auch das Wahrzeichen Bombays war, in Sicht. Ein Kormoran erhob sich in die Luft, die nach dem Monsunregen schwer und feucht war. Winzige Wassertröpfchen perlten von seinen Schwingen.
    Lu See und Sum Sum standen winkend an der Reling des Schiffes. Sie warfen Luftschlangen über Bord und riefen Stan und Aziz ein Lebewohl

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