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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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dem Diener, dass er dem Oberst und seinem Gast das Essen servieren könne.
    Nachdem er mit dem Tablett die Küche verlassen hatte, rückte sie ihre verzierten Haarspangen zurecht und machte sich dann auf den Weg ins Speisezimmer.
    Sie nahm, während der Diener dem Oberst servierte, ihre übliche respektvolle Haltung neben dem Sideboard aus Mahagoni ein, bereit, sein Lob oder seinen Tadel entgegenzunehmen. Der Gast des Obersts, ein Mann in weißem Leinenanzug, saß mit dem Rücken zu ihr. An der Farbe seiner Haare konnte sie erkennen, dass er entweder Japaner oder Chinese war. Bereits in dem Moment, als sie den Raum betreten hatte, hatte sie den Geruch wahrgenommen, der von seiner Haut ausging, den ordinären Gestank von Kampfer.
    Als er sich umdrehte, um sie anzusehen, senkte sie ergeben den Blick.
    »Nun, was halten Sie von unserer Teoh-san?«, fragte Tozawa auf Englisch.
    »Hübsch, aber ein bisschen alt«, antwortete der Mann, während er sich wieder seinem Essen widmete.
    »Alt? Sie ist erst achtundzwanzig«, erwiderte Tozawa.
    Die beiden unterhielten sich miteinander, als wäre Lu See nicht im Raum.
    »Hat sie Kinder?«
    »Nur eines.«
    Der Mann im weißen Anzug schnalzte missbilligend mit der Zunge.
    Lu See hob ihren Blick ein kleines Stück. Tozawa sah sie an und lächelte dünn. Sie beobachtete den Diener, der dem Oberst Whisky in seinen Kristallbecher einschenkte. Als er um den Tisch herumging, um auch dem Gast nachzuschenken, legte der Mann im weißen Anzug die flache Hand auf sein Glas und schüttelte den Kopf.
    Irgendetwas an ihm kam ihr vertraut vor.
    Lu See rührte sich nicht. Schweigend sah sie zu, wie er aß.
    Erst einige Sekunden später fiel ihr plötzlich auf, dass er eine schiefe Schulter hatte.
    Der Mann drehte seinen Kopf zur Seite. Sie versuchte, seinem Blick auszuweichen. Zu spät.
    »Warum starrst du mich so an?«, fragte er.
    Sie holte erschrocken Luft. Die Erkenntnis ließ sie erstarren. Nein, das konnte nicht sein! Nicht nach so langer Zeit. Das konnte er einfach nicht sein!
    »Sie!«, schrie Lu See mit einem Mal und machte jetzt keine Anstalten mehr, ihr Entsetzen zu verbergen.
    Der Mann im weißen Anzug ließ seine Gabel fallen. Das Muttermal auf seiner linken Wange war unverkennbar. Es war das Schwarzköpfige Schaf!
    Tozawa sprang von seinem Stuhl auf. »Was soll das? Wie können Sie es wagen, sich meinem Gast gegenüber derart ungehörig zu verhalten!« Er ging auf sie zu und hob die Hand, als wolle er sie auf den Mund schlagen. »Boujakubujin!« Er befahl ihr, in den Flur zu gehen und sich dort hinzuknien.
    Sie verließ den Raum und kniete sich mit gesenktem Kopf auf die Tatami -Matte. Sie lauschte, versuchte zu hören, was im Speisezimmer gesprochen wurde, verstand aber kein Wort. Die Stille machte ihr Angst. Schließlich erschien Tozawa im Flur, in der einen Hand einen Kristallbecher mit Whisky, in der anderen ein katana -Schwert. Er schwankte ein wenig. Lu See konnte seine Alkoholfahne riechen.
    Er stand in seinen hölzernen Pantoffeln und der grünen Hose da und starrte sie an. »Ich verlange eine Erklärung«, sagte er dann mit ruhiger, aber bedrohlicher Stimme.
    »Er ist ein Woo.«
    »Sie haben mir erst vor Kurzem gesagt, dass Sie mit den Woos keinerlei Probleme mehr hätten, Teoh-san.«
    »Die habe ich auch nicht. Ich habe nur mit diesem Mann da ein Problem.«
    » Dieser Mann da ist ein sehr wichtiger Freund der Kaiserlichen Armee.«
    »Er hat vor vielen Jahren etwas Schreckliches getan.«
    »Wir haben in diesem Krieg alle etwas Schreckliches getan.«
    »Er wird mir etwas antun.«
    »Ich versichere Ihnen, das wird er nicht. Was auch immer in der Vergangenheit zwischen Ihnen beiden vorgefallen ist, es interessiert ihn nicht mehr.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Er hat es mir gesagt.«
    »Aber er ist jetzt einer Ihrer Informanten!«
    »Er ist ein treuer Diener des Kaisers.«
    Schweigen.
    »Genau wie Sie eine treue Dienerin des Kaisers sind, nicht wahr, Teoh-san?«
    Er lächelte wieder ein dünnes Lächeln.
    Tozawa hatte wohl erwartet, dass Lu See furchtsam den Blick abwandte oder den Kopf senkte. Stattdessen hob sie ihr Kinn und sah ihm herausfordernd in die Augen.
    »Ich mache Sie darauf aufmerksam, o-Oberst-sama, dass ich mich mit diesem Mann nicht in ein und demselben Raum aufhalten werde.«
    »Sie machen mich darauf aufmerksam ?«
    Sie hielt ihren Blick fest auf ihn gerichtet.
    Sein Schnurrbart zuckte. Er hob sein Schwert ein kleines Stück an.
    »Wissen Sie«, sagte

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