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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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nächste Woche ein scharfes Krabbengericht für ihn zubereiten soll«, warf Lu See ein.
    »Musst du auch noch seinen Namen erwähnen?«, fragte ihre Mutter herausfordernd. Sie lebte in der ständigen Furcht, dass ihre Tochter mit diesem nicht-chinesischen, barbarischen Invasoren ins Bett gehen könnte. »Was auch immer du tust, widersetze dich seinen Annäherungsversuchen.«
    »Also wirklich …«
    »Das sind alle Vergewaltiger!«
    »Er ist ein Gentleman«, sagte Lu See, ohne selbst sagen zu können, warum sie das Gefühl hatte, ihn verteidigen zu müssen.
    Die finstere Miene ihrer Mutter sprach Bände.
    Lu See war so vernünftig, das Thema zu wechseln. »Was bereitest du da gerade zu?«
    » Satay -Soße.« Lu See merkte, wie ihr bei dem Gedanken an gegrillte Fleischspießchen in Erdnusssoße das Wasser im Mund zusammenlief. »Wir nehmen wieder Eichhörnchen statt Hühnchen. Aber sag das nicht Mabel. Und jetzt gib mir die Flasche mit der Sojasoße dort, und dann hack ein Stückchen Galgant und etwas Ingwer.« Sie begann damit, die Erdnüsse in einem Mörser zu zerstoßen. »Wir machen das hier noch fertig, bevor wir zu Bett gehen. Also Schluss jetzt mit dem Gerede.«
    Lu See zerteilte mit ihrem Messer eine Ingwerknolle. Vor dem Krieg hatte sie nicht besonders gern gekocht, daher war sie als Köchin auch weit weniger geübt gewesen, als es der Oberst angenommen hatte. Aber sie widmete sich ihrer neuen Aufgabe mit Fleiß und Beharrlichkeit. Jetzt, da sie das Haus und auch alles andere verloren hatten, waren sie auf ihre Arbeit angewiesen – angesichts ihrer hohen intellektuellen Ziele aus der Vergangenheit war dies zweifellos ein tiefer Fall. Ihre Zeit in Cambridge schien endlos lange zurückzuliegen. Manchmal hatte sie das Gefühl, als würde sie in einem Traum leben. Es kam ihr so vor, als bestünde ihr Leben nur aus einer Reihe von Wunschvorstellungen und nicht aus echten Erinnerungen.
    Sie betrachtete die Ingwerscheiben und verspürte plötzlich den Drang, sich zur Strafe in ihre Hand zu schneiden. Schuldgefühle und Bedauern schnürten ihre Brust ein. Es war einfach ein Reflex, ein Instinkt. Sie holte tief Luft und wartete. Nach ein paar Sekunden hatte der Drang, sich zu verletzen, nachgelassen.
    Als Lu See am folgenden Abend wieder im großen Haus neben dem Sideboard aus Mahagoni stand und zusah, wie Tozawa Eintopf mit Kohl und Kartoffeln aß, wandte sich ihr dieser plötzlich zu und lächelte sie an.
    Völlig verwirrt erwiderte sie sein Lächeln.
    »Wie alt sind Sie, Teoh-san?«, fragte er sie und tupfte sich ein Kohlstückchen vom Schnurrbart.
    »Entschuldigen Sie, o-Oberst-sama ?«
    »Ich habe Sie nach Ihrem Alter gefragt. Ich vermute, dass Sie, nachdem Ihr Mann gestorben ist, nicht wieder geheiratet haben, und nun wüsste ich gern, wie alt Sie sind.«
    Lu See spürte, wie sie rot wurde. »Verzeihen Sie mir, o-Oberst-sama , aber während der ganzen Zeit, die ich hier arbeite, haben Sie mich noch nie nach meinem Privatleben gefragt.«
    Tatsächlich war dies die erste persönliche Frage, die er ihr stellte, und sie war sich nicht sicher, wie sie darauf reagieren sollte.
    Er sog die Luft durch seine Zähne und grinste. »Vielleicht werde ich jetzt, da dieser grässliche Krieg zu Ende geht, ein wenig unvorsichtig.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Seine Worte klangen in ihr nach. Sie wollte ihn fragen, was er mit seiner Bemerkung, der Krieg ginge zu Ende, sagen wollte. Standen die Japaner etwa kurz vor einer Kapitulation? Würden sie sich bald aus Malaysia zurückziehen? Sie hatte Gerüchte gehört, dass die Alliierten anrückten, dass U-Boote bereits Gurkhas an der malaysischen Küste abgesetzt hätten. Aber sie wagte nicht zu hoffen, dass das tatsächlich so war.
    Er bedachte sie mit einem seidigen Lächeln. »Das ist doch eine einfache Frage, Teoh-san. Ich möchte wissen, wann Sie geboren wurden.«
    Lu See zögerte. Sie spürte, wie sich ihr Herz verkrampfte und ihr das Atmen zunehmend schwerfiel. Das Blut in ihren Adern gefror. »Ich habe eine achtjährige Tochter.«
    »Ganz recht.« Er sah sie an und ermunterte sie mit seinen Blicken fortzufahren. »Aber ich habe nach Ihrem Alter gefragt und nicht nach dem Ihrer Tochter.«
    »Ich bin achtundzwanzig.«
    »Ahhh so.« Seine dunklen Augen wurden schmal und schimmerten feucht. »Noch sehr jung. Sehr jung.«
    Er nahm einen Schluck Whisky und beobachtete sie über den Rand des Glases hinweg.
    Lu See konnte spürte, wie seine Augen Muster auf ihren Körper zeichneten.

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