Das Haus der tausend Blueten
beschlagnahmten Häuser unverzüglich ihren Eigentümern zurückzugeben.« Sie sah die Leute an, die neben ihr standen, und beobachtete sie dabei, als sie begriffen, was das für sie bedeutete. »Endlich kehrt wieder Ruhe und Ordnung ein!«, riefen die Menschen.
Ein Trugschluss, wie sich bald schon herausstellte. Denn statt der Japaner streiften jetzt Bürgerwehren durch die Straßen, Schwarzmarkthändler wurden überfallen, und Bewohner des Dorfes prügelten sich um Lebensmittel. Völlig unvorhersehbar brach immer wieder Gewalt aus. Die Polizei hatte die Kontrolle verloren. Einige Polizisten hatten aus Angst sogar ihre Uniform abgelegt.
Kurz darauf zog Oberst Tozawa aus dem Haus aus. Auf der Auffahrt wartete im Schatten einer Tamarinde ein ziviles Fahrzeug auf ihn. Es führte eine weiße Fahne und war mit Kapitulationskreuzen gekennzeichnet.
Oberst Tozawa verbeugte sich vor Lu See und gab ihr die Hand. »Sie sind hier nicht sicher, Teoh-san. Ich empfehle Ihnen, vorerst nicht nach Tamarind Hill zurückzukehren.«
Bereits in der ersten Nacht, nachdem Oberst Tozawa das Haus verlassen hatte, fielen Plünderer über das Anwesen her. Sie rissen die Marmorfliesen vom Boden und hebelten die metallenen Tore aus ihren Verankerungen. Sogar die riesigen gusseisernen Badewannen waren nicht vor ihnen sicher. Nur die Umrisse ihrer klauenhaften Füße auf dem Boden waren Beweis dafür, dass sie hier einmal gestanden hatten.
Als die Plünderer abgezogen waren, wagte es Lu See, mit ihrer Tochter Mabel und Onkel Hängebacke ihr ehemaliges Heim zu betreten. Am Tor blieben sie erst einmal stehen. Trotz der Lebensmittelknappheit während der Besatzungszeit schien Lu Sees Onkel kaum abgenommen zu haben. »Ich?«, sagte er, wenn man ihn auf seine Körperfülle ansprach, und legte dabei seine Wurstfinger auf seine Brust. »Ich bin doch spindeldürr, oder etwa nicht?« Dann fügte er strahlend hinzu: »Nein, lah, die Wahrheit ist, dass ich viel Kokosfleisch esse. Jeden Morgen fünf Kokosnüsse. Und dafür muss ich keinen Bananendollar zahlen. Kommt alles kostenlos vom Baum, ahhh!«
In seiner langen Unterhose, dem Hemd mit offenem Kragen und den weißen Turnschuhen sah er wie ein Zwergnilpferd im Tennisdress aus. Er hatte sich so gut wie nicht verändert, außer dass er neuerdings dazu neigte, inmitten eines Gesprächs mit einem Ratschlag aufzuwarten, der absolut nichts mit dem Thema zu tun hatte.
»Wie lange werden wir deiner Ansicht nach warten müssen, bis die Briten wieder zu alter Stärke kommen?«, fragte ihn Lu See.
»Ich denke, zwei bis drei Wochen, lah . Die Briten zeigen schon jetzt eine gewisse Präsenz, um zu gewährleisten, dass die Kapitulationsbedingungen auch eingehalten werden. Bis dahin werden die Plünderungen aber weitergehen. Durch Kedah und Penang streifen bewaffnete Banden, die alles mitgehen lassen, was ihnen in die Hände fällt.«
Sie stiegen über die verkohlten Fetzen der Flagge mit der aufgehenden Sonne hinweg. Lu See suchte sich vorsichtig ihren Weg zwischen Glasscherben hindurch, während ein Übelkeitsgefühl in ihrer Kehle aufstieg, als würde man sie zwingen, einen Teerklumpen zu schlucken. Onkel Hängebacke schwankte beim Gehen hin und her.
»Hat es noch immer nicht genug Blutvergießen gegeben, eh?«
»Sind alle großen Häuser kaputt?«, fragte Mabel laut.
»Nicht alle.« Er zog eine Grimasse. »Das Haus der verdammten Woos ist unversehrt geblieben. Diese gerissenen Scheißkerle haben zu ihrem Schutz bewaffnete Wachen angeheuert.«
Lu See hielt ihr Gesicht in die Sonne. Der klare Tag mit seinem hellen Licht schien ihre hoffnungsvolle Stimmung widerzuspiegeln. Sie musste sich plötzlich an die Worte von Zweiter Tante Doris erinnern: Vergiss niemals, einen grünen Baum in deinem Herzen zu bewahren, dann wird ihm ein kalter Wind vielleicht nichts anhaben.
»Nun, zumindest wissen wir, dass wir jetzt neu anfangen können.«
»Ein Neuanfang ist wie ein Drachen, der sich von seiner Schnur losgerissen hat. Wir befinden uns jetzt in den Händen des Schicksals, meh ?«
»Ich werde Kohl, Lauch und Süßkartoffeln anpflanzen. Mabel wird mir dabei helfen.«
»Pass auf, und iss nicht zu viel Süßes, eh. Das ist schlecht für die Zähne und auch sonst nicht gesund.«
Lu See nahm die Hand ihrer Tochter, umschloss ihre kindlichen Finger und führte sie ins Haus. Sie spürte, wie Mabel sich an ihre Hand klammerte und erwiderte ihren Druck.
»Es ist so leer hier, Mama.«
»Mein Freund, ah, Chan Yee, der
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