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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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ihre Feigheit die Oberhand. Sie ließ die Gittertür hinter sich zufallen und machte sich aus dem Staub.

5. KAPITEL
    W arum, zum Teufel, hatte er das gesagt? Griffin nahm das Blatt mit den Namen in die Hand, kniff die Augen zusammen und nahm dann die Brille ab. Aber anstatt die Liste durchzusehen, ertappte er sich dabei, ihre Handschrift zu analysieren. Er hatte mit einer engen, gehemmten Schrift gerechnet. Das, oder etwas mit zu vielen Schnörkeln und sogar Smileys als i-Pünktchen. Stattdessen hatte sie entschieden ausgeholt; das Resultat war nicht ganz leicht zu entziffern, aber ausdrucksstark. Er schaute zur Fliegengittertür hinüber, um zu prüfen, ob Sophie noch da war. Natürlich war sie längst verschwunden.
    Sie ist nicht mein Typ, rief er sich ins Gedächtnis. Er mochte dünne, clevere Frauen, mit kurzen Röcken und langen Beinen und ohne Emotionen. An einer Haushaltsgöttin in Chintz, die ihn als großen bösen Wolf betrachtete, der gekommen war, um ihre kleine Schwester zu fressen, hatte er kein Interesse. Wie absurd Sophie Davis’ Befürchtung war, wo sie selbst doch viel appetitlicher wirkte!
    Schnell verdrängte er diesen unerwünschten Gedanken. Er hatte keine Zeit und auch keine Lust, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie er unter die geblümten und gerüschten Röcke seiner Nachbarin gelangen konnte, obwohl die Vorstellung einen gewissen verbotenen Reiz hatte. Er musste herausfinden, was er wissen wollte, und dann schnellstens verduften. Dass er mit dem Gedanken spielte, das Whitten-Haus zu kaufen, hatte er ihr nur vorgegaukelt, um ihre Reaktion zu beobachten. Auf gar keinen Fall würde er sich an dieses Städtchen binden, nicht bei seiner Vorgeschichte – ganz gleich, wie sehr Colby ihn lockte. Das war Nostalgie, nicht Schicksal. Verdammt, er glaubte nicht einmal an das Schicksal – oder überhaupt an irgendetwas Greifbares.
    Da er aber noch ein Weilchen bleiben würde, musste er sich hier erst einmal häuslich einrichten. Den Mäusedreck loszuwerden und sich in die Lage zu versetzen, eine anständige Tasse Kaffee zu brühen, stand auf seiner Prioritätenliste weit oben. Ebenso alle nötigen Schritte, um zu verhindern, dass ihm im Bett die Decke auf den Kopf fiel, während er mit …
    Dass mir die Decke auf den Kopf fällt, während ich allein im Bett liege, korrigierte er sich. Shit, vielleicht war es die Luft. Vielleicht war er nicht einfach nur ein geiler junger Herumtreiber gewesen, sondern der Luft von Colby erlegen, die wie ein Aphrodisiakum wirkte. Denn seltsamerweise hatte es ihn sehr erregt, als ihm aufgefallen war, dass Sophie Davis auf sein zerwühltes Bett gestarrt hatte, und das passte ihm überhaupt nicht in den Kram.
    Ins kalte Wasser springen, tun, was zu tun war, und verschwinden: Das war das Motto seines Lebens, und diese Situation würde er genauso angehen. Er musste sich darauf konzentrieren herauszufinden, was vor zwanzig Jahren passiert war, und konnte keine Zeit mit niederen Instinkten verplempern, über die er längst hinausgewachsen sein sollte.
    Er lehnte sich in seinem alten Stuhl zurück und sah das heruntergekommene Cottage mit neuen Augen. Sara Ann Whitten war also verschwunden, während er noch im Bau gesessen hatte. Er versuchte sich an sie zu erinnern, aber es klappte nicht. Die Whittens waren ein älteres Paar gewesen, und ihre Tochter musste damals noch zu jung gewesen sein, um seinen sexuellen Appetit zu wecken.
    Er ließ seinen Blick durch das Zimmer wandern. Sobald Colby wieder zu einem ebenso beliebten wie exklusiven Ferienort wurde, würde das Haus ein Vermögen wert sein. Aber noch lag es verlassen am See, hatte Jahre lang leer gestanden. Der Frau vom Immobilienbüro zufolge waren die Besitzverhältnisse ungeklärt. Die Eltern lebten nicht mehr, und die Tochter schien seit Jahren wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Niemand fühlte sich verpflichtet, sie für tot erklären zu lassen, und niemand hielt sich für verantwortlich, das alte Haus in Schuss zu halten. Die Stadtväter hatten irgendwann beschlossen, es zu vermieten, um einen Teil der ihnen entgangenen Steuern wieder hereinzuholen, aber früher oder später würde der Kasten versteigert werden.
    Was konnte ein junges Mädchen dazu bewegt haben wegzulaufen? Zugegeben, das nördliche Vermont lag so weit ab vom Schuss wie überhaupt vorstellbar, aber keiner Menschenseele zu verraten, wohin man gehen wollte, und niemals zurückzukommen, das war doch untypisch. Und das just in einer Gegend, in

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