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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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kümmern. Ich sorge schon dafür, dass du vor Erschöpfung einschlummern wirst. Du brauchst einfach den richtigen Mann und eine gute Nummer.
    „Es heißt, Sorgen sind verschwendete Fantasie.“ Geh jetzt, befahl er sich, steh hier nicht rum und führe stundenlange Gespräche.
    „Dann habe ich eindeutig zu viel Fantasie abbekommen. Möchten Sie eine Tasse Kaffee oder so?“
    Er war so verblüfft, dass er einen Moment die Augen schließen musste. Vielleicht lag er falsch, vielleicht hatte er sich in ihr geirrt, vielleicht hatte dieses jungfräuliche Nachthemd ihm ein Bild von ihr vorgegaukelt, das ihr gar nicht entsprach. Und vielleicht hatte er eigentlich gar keine Lust, der Versuchung zu widerstehen.
    „Wenn Sie um diese Zeit Kaffee trinken, ist es kein Wunder, dass Sie nicht schlafen können“, meinte er. „Oder war das eine dezente Einladung, mit Ihnen zu schlafen?“
    Offenbar doch eine viktorianische Jungfrau: Sie reagierte so schockiert und wütend, als hätte er sie geschlagen. „Sie leiden unter Wahnvorstellungen, was, Mr. Smith?“ entgegnete sie mit eisiger Stimme. „Sex interessiert mich nicht.“ Kaum dass sie die Worte ausgesprochen hatte, geriet sie ins Stocken. „Nicht mit Ihnen, meine ich. Ein anderer Mann, eine andere Zeit: vielleicht. Ich bin völlig normal, aber nicht im Geringsten interessiert an …“
    „Nun brechen Sie sich mal keinen ab, Sophie. Ich habe das längst begriffen, nur hat mich Ihr Verhalten eben stutzen lassen. Darf ich Ihnen einen kleinen Rat geben? Stellen Sie sich zu so nachtschlafender Zeit nicht im Nachthemd auf die Veranda, vor allem nicht, wenn das Licht von hinten kommt, so dass das verdammte Ding praktisch durchsichtig ist, und laden Sie einen Fremden nicht morgens um zwei zum Kaffee ein, wenn Sie nichts von ihm wollen. Die Mann könnte das falsch verstehen.“
    Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, verkniff sich dann aber die Antwort. Mit Bedauern stellte er fest, wie schön ihr Mund war. Wirklich wunderschön.
    „Tun Sie sich keinen Zwang an, Sophie“, forderte er sie auf. „Sie sollten es aussprechen, und ich werde nicht vor Schreck in Ohnmacht fallen.“
    „Leck mich.“ Jetzt war es raus. Sie war stinksauer, und er sagte sich, dass er sich eigentlich dafür schämen sollte, dass er sie derart provoziert hatte. Aber er bereute nichts.
    „Ich komme wieder, sobald Sie es ehrlich meinen“, verkündete er. Wenn er direkt vor ihr gestanden hätte, dann wäre er bestimmt der Versuchung erlegen, sie zu küssen, um zu erfahren, wie sie reagieren würde. Und um herauszufinden, wie ihr Mund schmeckte.
    Aber sie war zu weit weg, oben auf der Veranda, und bis er dort war, hätte sie längst die Tür von innen verriegelt, und er hätte dumm dagestanden.
    Er war nicht hier, um sich mit einer verklemmten viktorianischen alten Jungfer herumzuschlagen. Also drehte er sich um und lief zum Pfad am See zurück. Es hätte ihn nicht überrascht, wenn sie ihm noch schnell irgendeinen Gegenstand an den Kopf geworfen hätte.
    Alles, was er hörte, war jedoch das Zuschlagen der Tür. Und er musste zugeben, dass er es zutiefst bedauerte, nicht auf der anderen Seite dieser Tür zu sein, mit ihr Kaffee zu trinken und ihren Mund zu erforschen.
    Er stellte sein Werkzeug mit der Sorgfalt und Bedächtigkeit eines Handwerksmeisters zusammen. Er war stolz auf sein Œuvre und auf die Vielseitigkeit seiner Methoden. Das war schon immer Teil seiner göttlichen Mission gewesen, und so würde er seine Aufgabe in dieser Welt der Sünde und zügellosen Unzucht auch vollenden. Er tötete niemals zweimal auf dieselbe Weise, und es gab ja wirklich unzählige Wege, ein unwürdiges Lebenslicht auszulöschen.
    Er hatte zugestochen, aufgeschlitzt und erdrosselt. Vergiftet, mit den Fäusten erschlagen, erhängt und ertränkt. Nichts hatte er zweimal getan, und das machte es der Polizei unmöglich, ihm auf die Schliche zu kommen. Die armseligen Vertreter des Gesetzes hatten keine Ahnung, wie viele Frauen er getötet hatte, wie vielen schmutzigen, obszönen Leben er ein Ende gesetzt hatte, bevor sie weitere Unschuldige mit sich ins Verderben reißen konnten.
    Allmählich gingen ihm die Ideen aus, und er hasste es, sich zu wiederholen. Er hatte geglaubt, seine Aufgabe sei erfüllt, aber als diese neue Familie das alte Gasthaus übernommen hatte, war ihm bald aufgegangen, dass es doch noch etwas zu tun gab.
    Flammen, dachte er. Ein befreiendes Feuer, das Körper, Seele und Geist reinigte. Das alte

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