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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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geistiger Verfall begonnen hatte, war Sophie in ihr Zimmer gegangen und hatte dieses Buch aus einem riesigen Stapel mit Paperbacks herausgefischt, um es doch selbst zu lesen – was sie dann aufgrund von Docs Rat nicht getan hatte. Er hatte ihr versprochen, ihr alles über den Fall zu erzählen, was sie wissen wollte – ohne all das melodramatische Getue, die Gefühlsduselei, die schwülstige Prosa. Also hatte Sophie das Buch in den Müll geworfen, und wahrscheinlich war es – zusammen mit dem restlichen Abfall – längst verbrannt worden.
    Und nun befand sich Gracey erneut im Besitz eines Exemplars. Wie hatte sie sich das Buch überhaupt besorgen können, wo sie doch kaum noch imstande war, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, und sonst praktisch nichts schaffte?
    Sophie beschloss, ihren Kaffee später zu trinken und sich stattdessen noch einmal in Graceys Zimmer zu schleichen, um das Buch zu holen. Ihre Mutter würde es wohl nicht vermissen; wahrscheinlich war ihr nicht einmal aufgefallen, dass die Geschichte hier in dieser Stadt spielte, zum Teil sogar in diesem Haus. Oder sie ahnte es irgendwie, ohne dass es wirklich in ihr Bewusstsein vorgedrungen war.
    Vielleicht hatte der so genannte Mr. Smith es ihr gegeben. Immer noch wurde sie das unbestimmte Gefühl nicht los, dass er nicht der war, der zu sein er vorgab. Kein Tourist vergrub sich in einer Bruchbude am Arsch der Welt, ganz gleich, wie schön es dort war. Colby und der Still Lake waren wohl behütete Geheimnisse, und fast jeder, der sich hierher begab, tat das, weil er mit irgendwelchen langjährigen Einwohnern verwandt oder bekannt war. Mr. Smith war aus dem Nichts aufgetaucht, und sie misstraute ihm.
    Sie hatte immer noch den Verdacht, dass er ein Reporter war, der neue Informationen über die ungelösten Colby-Mordfälle sammelte. Vermutlich hatte er Gracey alle möglichen Fragen gestellt, sie damit noch mehr verwirrt, als sie schon war, und sie in ihre alte Traumwelt voller Serienmörder und unschuldiger Opfer zurückversetzt.
    Sophie würde wohl ein paar Takte mit ihm reden müssen. Ihm klar machen, dass er sich von ihrer Mutter gefälligst fern zu halten hatte. Gracey hatte schon genug Probleme, auch ohne einen blutsaugenden Journalisten, der sie noch konfuser machte.
    Sie würde Kekse backen, das wars: Dreierlei-Ingwer-Kekse, die sie diesem Eremiten bringen würde. Dann konnte sie mit ihm auf seiner heruntergekommenen Veranda sitzen und ihn höflich, aber bestimmt auffordern, ihre labile Mutter in Ruhe zu lassen. Und bei der Gelegenheit gelang es ihr vielleicht auch gleich, herauskriegen, wer er war und was, zum Teufel, er hier trieb.
    Um Himmels willen, es war ja nicht so, dass sie sich vor dem Mann fürchtete. Sie ließ sich nicht so leicht einschüchtern, und wenn Mr. Groß-dunkel-Unheimlich die Einsamkeit suchte, war das einzig und allein sein Bier. Solange er ihre Familie in Ruhe ließ, würden sie sich schon arrangieren.
    Nein, sie würde sich dem Problem stellen, ob sie nun wollte oder nicht, ob er sie nun ängstigte oder nicht. Verrückterweise war die Vorstellung, ihn zu besuchen, sogar recht verlockend, aber darüber mochte sie lieber nicht näher nachdenken. Sie wollte gar nicht wissen, warum sie dem nötigen Besuch in der Höhle des Löwen geradezu entgegenfieberte. Womöglich hatte sie, im fortgeschrittenen Alter von dreißig Jahren, ein Faible für Raubtiere entwickelt.
    Die Vermonter standen verdammt früh auf und fingen zu einer geradezu unchristlichen Tageszeit mit der Arbeit an. Griffin hatte nicht gut geschlafen – aus unerfindlichen Gründen waren ihm Sophie Davis’ nackte Füße unter diesem dämlichen Nachthemd nicht aus dem Kopf gegangen. Irgendwann während der Morgendämmerung war er endlich eingedöst, und nur wenige Stunden später hatte der kaum gedämpfte Lärm einer Motorsäge seinen Schlaf gestört.
    Stöhnend hatte er sich eines der schlaffen Daunenkissen über den Kopf gelegt. Er hätte auch das Fenster schließen können, aber dazu hätte er das Bett verlassen müssen – und dann hätte er auch gleich aufbleiben können. Also hatte er die Augen geschlossen, die Geräusche ausgeblendet und weitergeschlafen.
    Kurz darauf riss ihn ein Donnern erneut aus dem Schlummer: Jemand klopfte sehr entschlossen an seine Haustür, direkt unterhalb des Schlafzimmers. Er fluchte laut und deutlich und hievte seinen Hintern aus dem Bett. Dass das gebieterische Klopfen verdächtig nach Polizei klang, ignorierte er

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