Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
Vom Netzwerk:
doch nicht so wirr, wie sie die Leute glauben ließ?
    „Das kann schon sein“, antwortete er.
    Sie war eine kleine Frau, viel kleiner als ihre üppige Tochter, und der Blick, mit dem sie ihn bedachte, war fast kokett. „Einerseits würde ich Ihnen raten, Ihr Hemd zuzuknöpfen, aber andererseits hoffe ich, dass Ihr stattlicher Brustkorb ordentlich Eindruck auf Sophie macht.“
    Shit. Er knöpfte das weiche Flanellhemd zu, das er sich übergestreift hatte. Er hatte keinen Gedanken an die Tätowierung verschwendet, aber Grace hätte sich schon sehr anstrengen müssen, um sie unter dem offenen Hemd zu erkennen. Die Schlange über seiner linken Hüfte war normalerweise immer bedeckt, aber da seine Jeans gerade keinen Gürtel hatten, hingen sie ziemlich tief. Wenn er sich in die falsche Richtung gedreht hätte, wäre die Tätowierung unter dem Hemd sichtbar geworden. Und das war so ziemlich das Letzte, was er wollte.
Er
sah zwar völlig anders aus als der Mann, den man vor zwanzig Jahren als Mörder abgeführt hatte – das Tattoo aber war noch dasselbe.
    Er hätte es entfernen lassen sollen und es längst getan, wenn Annelise es nicht so gehasst hätte, wodurch es zur Prinzipiensache erhoben worden war. Außerdem hing er irgendwie daran. Die Tätowierung war Teil des Menschen, der er gewesen war, und man konnte seiner Vergangenheit nicht entfliehen. Sie machte einen zu dem, der man heute war.
    Er war sich nicht sicher, wie sehr er den Mann mochte, zu dem er sich entwickelt hatte. Aber er war nicht bereit, durch eine Laserbehandlung die letzten Spuren jenes rebellischen jungen Herumtreibers zu tilgen. Nicht, bis er die Antworten auf die Fragen gefunden hatte, die ihn beschäftigten.
    Sein Leben war stets von Zufällen beherrscht worden, im Guten wie im Schlechten. Er hatte das Pech gehabt, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, mit einer toten Frau im Arm und blutverschmierter Haut. Und das Glück, dass irgendein Idiot im Büro des Staatsanwalts sich seiner Schuld so sicher gewesen war, dass er beim Papierkram geschludert hatte. So sehr geschludert, dass Griffin nach drei Jahren im Knast, während derer er sich mit dem Rechtssystem befasst hatte, zu der Erkenntnis gelangt war, dass er das Urteil relativ leicht über den Haufen werfen konnte. Sie hatten nur Indizienbeweise, und an die meisten waren sie nicht auf legalem Wege gelangt. Er hatte nur noch den richtigen Anwalt finden müssen.
    Es hatte dann doch noch zwei Jahre gedauert, aber Bill Cragen hatte seine Sache energisch vertreten und Griffin unter seine Fittiche genommen, als er draußen war, und ihn während seines Jurastudiums und zu Beginn seiner steilen Anwaltskarriere unterstützt. Bill hatte ihm klar gemacht, dass jemand von seiner Intelligenz sein Leben nicht als Skipisten-Gigolo verplempern sollte. Und was sprach dagegen, das im Gefängnis angelesene Wissen zum Beruf zu machen? Als Bill später der Krebs dahingerafft hatte, war Griffin bereits zu seinem Kanzleipartner aufgestiegen – und zum Verlobten seiner Tochter Annelise. Unerschütterlich, aufrecht, mit einem Schlangen-Tattoo auf der Hüfte und einem nachtschwarzen Bereich tief in seiner Seele.
    Grace kicherte. „Sie hat wahrscheinlich schon die Polizei angerufen. Oder zumindest diesen netten Doktor. Vielleicht gehe ich besser allein zurück. Wir wollen doch nicht, dass die Leute auf falsche Gedanken kommen.“
    Er war versucht, sie wirklich allein ziehen zu lassen. Die Vorstellung, am Niles-Haus auf eine Horde Polizisten zu stoßen, rief hässliche Erinnerungen wach, und zwar nicht diejenigen, die er suchte. Aber er konnte nicht zulassen, dass die alte Dame im Dunkeln allein einen schmalen Pfad entlangspazierte, der dicht am See verlief: Bei aller Unbarmherzigkeit hatte ihn sein Anstand doch noch nicht völlig verlassen. Er hatte zwar den Verdacht, dass sie nicht so umnachtet war, wie sie tat, aber er konnte das Risiko nicht eingehen.
    „Ein Gentleman bringt eine Dame immer bis vor die Tür“, meinte er. Nicht, dass ihm das je jemand beigebracht hätte. Griffin hatte sich größtenteils selbst erzogen und solche Benimmregeln nicht vorgelebt bekommen, sondern sie sich angelesen. „Und wir wollen Ihrer Tochter doch keinen Kummer bereiten, oder?“
    Grace hakte sich bei ihm unter und bedachte ihn mit einem warmherzigen Blick, als sie zur Veranda hinausgingen. „Sie haben sie nicht umgebracht, nicht wahr?“ fragte sie mit ihrer sanften Stimme.
    Das unbewusste Zucken, das durch seinen Körper

Weitere Kostenlose Bücher