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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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am liebsten ganz vermeiden möchte, wenn es denn irgendwie geht. Aber ich benötige Deinen Rat so dringend, und wenn ich mich nicht an meine Schwester um Hilfe wenden kann, an wen, bitte schön, sollte ich mich dann wenden? Albert ist ein mustergültiger Ehemann und stets freundlich und zärtlich zu mir – jede Nacht, wenn wir uns zur Ruhe begeben, drückt er mir einen Kuss aufs Haar und lobt mich als gute Ehefrau und liebliches Wesen. Doch danach schläft er sofort ein, und ich kann nur daliegen und mich fragen, was um alles in der Welt ich falsch mache, oder tun müsste, oder auch nur versuchen sollte. Würdest Du mir bitte in ganz deutlichen Worten erläutern, wie ich mich zu verhalten habe und wie diese »Vereinigung« unserer Körper, von der Du schriebst, genau vonstattengeht? Albert ist ein so wunderbarer Ehemann – ich kann nur davon ausgehen, dass ich meine ehelichen Pflichten nicht richtig erfülle und dies der Grund für … nun ja, dafür ist, dass ich noch nicht froher Erwartung bin. Bitte, liebe Amelia, werde konkret .
    Nun gut, ich sollte diesen Brief jetzt beenden. Die Sonne steht hoch am Himmel, und die Vögel singen aus vollen Kehlen. Ich werde den Brief unterwegs zu meinem Besuch bei der armen Mrs. Duff aufgeben, die nicht solche Schwierigkeiten hat wie ich und seit der Geburt ihres sechsten Kindes – schon wieder ein Junge! – mit einer furchtbaren Infektion daniederliegt. Und dann, nach dem Mittagessen, sollte Cat Morley mit dem Zug um drei Uhr fünfzehn eintreffen. Cat – wie schroff das klingt. Ob es ihr wohl gefallen würde, Kitty genannt zu werden? Schreibe mir bald, liebste und beste Schwester.
    Herzlichst
Deine Hester

2011
    Als Leah dem Mann, der ihr Leben verändern sollte, zum ersten Mal begegnete, lag er bäuchlings auf einem Stahltisch. Von seiner Kleidung war nur noch hier und da ein Fetzen übrig, schlammfarben und glitschig-feucht – die untere Hälfte eines Hosenbeins, die Schultern seiner Jacke. Sie fror um seinetwillen, und seine Nacktheit machte sie ein wenig verlegen. Sein Kopf war von ihr abgewandt, das Gesicht halb an den Tisch gepresst, sodass sie nur die dunklen, steifen Strähnen seines Haars und ein perfektes, wächsernes Ohr sehen konnte. Leahs Haut kribbelte – sie kam sich vor wie eine Voyeurin. Als schliefe er nur und könnte sich jeden Moment regen, den Kopf heben und sie ansehen, geweckt von den Geräuschen ihrer Schritte und ihres Atems in diesem makellosen Ohr.
    »Du wirst dich doch nicht übergeben, oder?« Ryans Stimme riss sie aus ihrer Trance. Sie schluckte und schüttelte den Kopf. Ryan grinste ein wenig boshaft.
    »Wer ist er? War er?«, fragte sie und räusperte sich. Betont gelassen verschränkte sie die Arme vor der Brust.
    »Wenn wir das wüssten, hätte ich dich nicht den weiten Weg bis nach Belgien kommen lassen.« Ryan zuckte unbekümmert mit den Schultern. Er trug einen weißen Kittel wie ein Arzt, aber seiner war schmuddelig, fleckig und nicht zugeknöpft, sodass darunter eine zerrissene Jeans und ein abgewetzter Ledergürtel zum Vorschein kamen.
    »Siehst du zum ersten Mal eine Leiche?«, fragte Peter in seiner ruhigen, französisch gefärbten Sprechweise. Er leitete das Institut für Archäologie.
    »Ja.« Leah nickte.
    »Ist immer eine seltsame Erfahrung. Ein so alter Leich nam stinkt wenigstens nicht. Na ja, jedenfalls nicht so schlimm«, bemerkte er. Leah wurde bewusst, dass sie schon die ganze Zeit durch den Mund atmete, weil sie mit dem Schlimmsten rechnete. Vorsichtig sog sie jetzt die Luft durch die Nase ein. Ein feuchter, etwas herber Geruch hing im Raum, wie nasses Laub im Januar.
    Sie suchte in ihrer Tasche herum und holte Notizblock und Stift heraus.
    »Wo, sagtest du, wurde er gefunden?«, fragte sie Ryan.
    »Im Garten hinter einem Haus in der Nähe von Zonnebeke, nordöstlich von Ypres. Eine Madame Bichet hat ein Grab für ihren Hund ausgehoben.« Ryan hielt inne und tat so, als müsse er in seinen Aufzeichnungen nachsehen. »Er hieß André , soweit ich weiß.« Er verzog den Mund, und sein schiefes Grinsen ging Leah unter die Haut. Sie zog nur eine Augenbraue hoch und sah ihn stumm an. Unter den grellen Lichtleisten wirkte seine Haut blass, und er hatte Ringe unter den Augen. Aber er ist immer noch schön, dachte sie hilflos. Immer noch so schön. »Da gräbt man ein Grab und stößt dabei auf ein anderes. Sie hat ihm mit dem Spaten fast den rechten Arm abgetrennt – schau, da.« Vorsichtig deutete er auf den Unterarm des

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