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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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schützend vor ihre Mitte, und Tess fragt sich, ob sie guter Hoffnung sein könnte. Das wäre wunderbar, denn ein Kind ist genau das, was dieses Haus braucht, damit es ein wenig fröhlicher wird.
    Der Pfarrer ist ein abwesender und schweigsamer Mann. Er hat noch keine zwei Worte zu Tess gesprochen und scheint ihre Ankunft gar nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Das macht Tess nichts aus. Sie hat in den vergangenen schweren Monaten zu viel gesehen und kein großes Vertrauen mehr zu Männern – nicht einmal zu einem Geistlichen. Der Haushalt scheint auch ohne sein Zutun wie am Schnürchen zu laufen. Und überall im Haus, nie erwähnt und doch stets präsent, spürt man Cats Abwesenheit. Die Polizei hat ihren letzten Brief an Tess gefunden, in der Tasche irgendwo auf der Wiese. So hat sie ihn schließlich doch bekommen, nachdem sie in Cold Ash Holt eingetroffen war und vom Tod ihrer Freundin erfahren hatte. Eine Botschaft von jenseits des Grabes – die Tess wieder zum Weinen gebracht hat, kaum dass der erste Sturm der Trauer vorübergezogen war. Tess ist hier, weil Cat nicht mehr da ist. Alle im Pfarrhaus wissen das, und Tess fragt sich, ob das für immer so bleiben wird.
    Sie holt tief Luft und schluckt beim Gedanken an ihre ermordete Freundin frische Tränen herunter. Sie weigert sich, über die schuldlose Wiese zu gehen, auf der es passiert ist. Lieber nimmt sie die längere Strecke in Kauf, den Feldweg entlang und dann auf den Treidelpfad bei der Brücke. Niemand weist sie darauf hin, dass es anders besser wäre. Falls Cats Geist irgendwo sein sollte, dann spukt er auf dieser Wiese umher und beklagt sich zornig darüber, wie nah sie der Freiheit schon war, wie kurz davor, ihr neues Leben zu beginnen. Warum auch immer sie sich an jenem Morgen mit dem Theosophen getroffen hat – wenn sie das nicht getan hätte, wenn sie einfach schnurstracks weitergegangen wäre zu George, dann wäre sie jetzt mit ihm zusammen und würde lieben und lachen und diese leuchtende Kraft ausstrahlen, von der Tess einst angezogen wurde wie die Gezeiten vom Mond. Diese Ungerechtigkeit ist so gewaltig und bitter, dass Tess zu wütend auf Gott ist, um am Ende des Gottesdienstes das Vaterunser zu sprechen. Ihre Augen bleiben offen, ihre Lippen sind versiegelt. Als sie eines Morgens kurz nach ihrer Ankunft den Nachttopf hervorholen wollte, hat sie unter dem Bett ein kleines Kruzifix aus Messing gefunden. Einen Moment lang hat sie überlegt und es schließlich dort liegen lassen. Nach dem, was Cat widerfahren ist, wird Gott sich für Tess erst wieder bewähren müssen.
    Sie geht weiter, und am Kanal tauchen die ersten Gebäude der Ortschaft auf. Sie hört Stimmen, Gelächter und Aufspritzen von Wasser. Nervös bleibt sie stehen, zieht ihr Tuch enger um die Schultern und geht dann vorsichtig weiter. An der Brücke, wo sie auf die Straße abbiegen und ihr dann bis in den Ort folgen soll, baden ein paar Jungen, die wohl gerade aus der Schule gekommen sind. Ihre Jacketts und Strohhüte liegen am Ufer im Gras verstreut, und sie veranstalten eine Art improvisierten Schwimmwettbewerb. Ein paar Leu te sind stehen geblieben – Männer, Frauen und Kinder beugen sich über die Brücke, um ihnen zuzuschauen. Tess gesellt sich zu ihnen, lächelt erst unsicher und lacht dann über die Possen der Jungen, die jetzt ein Zigaretten-Wettschwimmen veranstalten – wer zweimal ans andere Ufer und wieder zurück schwimmen kann, ohne dass seine Zigarette erlischt, obwohl ringsum reichlich mit Wasser gespritzt wird, der hat gewonnen.
    Schließlich wendet Tess sich ab, um ihren Weg fortzusetzen, doch in diesem Moment tuckert von Osten her langsam ein Dampfboot heran. Sie bleibt stehen, um es zu betrachten. Der Bootsmann pfeift schrill durch die Finger, und die Jungen machen ihm Platz und krabbeln zu beiden Seiten aus dem Kanal ans Ufer. Das Boot ist alt und ziemlich mitgenommen, in Wolken von Dampf und Rauch gehüllt. Aber es hat einen frischen Anstrich, wenn auch nur halb fertig. Die Kabine ist in Zigeunerfarben bemalt – grün und rot und gelb. An den Seiten blättert noch die alte Farbe ab, nur der Name des Schiffs hebt sich frisch und weiß vor dem dunkelblauen Hintergrund ab. Black Cat. Tess’ Herz macht einen Satz, und sie stürzt zurück zum Brückengeländer, um besser sehen zu können. Der Mann am Steuer ist wettergegerbt und kräftig gebaut. Er lächelt und dankt den Jungs im Vorbeifahren, doch seine Augen bleiben traurig. Tess kann den Blick nicht von

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