Das Haus der verlorenen Herzen
Franzosen?«
»Genauer gesagt: Einer ihrer markantesten Einrichtungen: der Fremdenlegion!«
Dr. Daniele blickte Soriano entgeistert an. »Das verstehe ich nicht«, meinte er achselzuckend.
»Noch immer übt die Fremdenlegion, obwohl ihre große, glorreiche Zeit – von ihr aus gesehen! – vorbei ist, einen eigentümlichen, faszinierenden Reiz auf junge Männer aus. Auch in Italien. Auch in Sizilien. Das Leben ist ein Abenteuer – wer weiß das besser als wir?! Seit vier Tagen arbeiten drei illegale Werbebüros der Fremdenlegion in Catania, Messina und auf dem Festland in Neapel.«
Dr. Eugenio wischte sich über die Stirn. »Ich verstehe noch immer nicht, Don Eugenio.«
»In den Werbebüros – es spricht sich schnell herum, daß es sie gibt – melden sich die jungen Männer, die von Abenteuern und schönen Frauen träumen. Wir nehmen sie genau unter die Lupe, untersuchen sie, vor allem ihr Herz, denn die Legion nimmt nur kerngesunde, harte Burschen. Und wenn sie unseren Maßstäben genügen, bekommen sie, wie üblich, ihr Handgeld und werden in kleinen Sammeltransporten, immer fünf Mann und zwei Mann Begleitung, hierher gebracht. Im Augenblick leben schon neunzehn Kerle, stark wie Stiere, in einem schalldichten Stockwerk von Haus III.«
»Hier? Im Kinderheim?« Dr. Daniele verspürte ein geheimes Grauen. »Schalldicht …«
»Wenn sie merken, daß hier keineswegs die Sammelstelle der Fremdenlegion ist, beginnen sie zu toben.« Dr. Soriano ging voraus zu dem großen Büro, das er sich im Kinderheim hatte einrichten lassen. Ein kleiner Saal, voller Blumenkästen und mit Sitzgruppen aus weißem Leder. Durch die wandhohen Fenster blickte man auf die Schwimmanlage mit ihren vier großen gekachelten Becken. Eine Menge fröhlicher, jauchzender Kinder lärmte in den Pools, rutschte ins Wasser oder spielte Wasserball. Zwei junge, hübsche Kindergärtnerinnen im Badeanzug beaufsichtigten die glückliche Kinderschar.
Dr. Daniele spürte wieder, wie ihn das Grauen ansprang. Dort die Kinder, das vom Papst gesegnete Bild – und zwei Häuserflügel weiter neunzehn junge Männer, die nicht wußten, daß man sie eines Tages ihrer gesunden Herzen wegen töten würde. Dr. Sorianos lebende Herzbank. Eine Zuchtstätte für Opfertiere. Weiter nichts.
Dr. Daniele begriff plötzlich und wurde stumm. Jedes Wort hätte ihn jetzt erwürgt. So etwas hatte es sogar in der Mafia noch nicht gegeben. Im alten Rom vielleicht geschah Vergleichbares: in den Kellern der Arenen, wo Gladiatoren gegen Löwen, Tiger, Stiere oder gegeneinander kämpfen mußten und wo es nur einen Sieger und einen Besiegten gab, aber kaum Gnade. Doch die Hoffnung blieb selbst diesen Unglücklichen, daß der Kaiser den Daumen nicht nach unten, sondern nach oben reckte und auch den Besiegten überleben ließ.
Bei Soriano aber wird es keine Gnade geben. Brauchte man ein Herz, so war's nur wie ein Griff ins Ersatzteillager. Der Mensch – nur noch ein Austauschobjekt.
»Und – und das fällt nicht auf?« fragte Dr. Daniele, als es ihm wieder möglich war, Worte zu finden.
»Wer sich von der Fremdenlegion anwerben läßt, bricht meistens alle Brücken hinter sich ab. Das weiß die ganze Welt. Wer fragt dann noch? Wo soll man fragen? In Paris? Bei der Zentrale in Korsika? Es gibt ja doch keiner Antwort! Wer bei der Legion ist und vergessen werden will – der wird vergessen.« Dr. Soriano lehnte sich zufrieden in seinen Sessel zurück und sah mit Vergnügen den spielenden und badenden Kindern zu. »Verstehen Sie nun, wenn ich sagte: Ich bin Frankreich sehr dankbar?!«
»Diese Idee, Don Eugenio, ist der Genialität des Satans entsprungen! Sie sammeln gesunde Herzen wie andere Pilze.«
»So ähnlich. Dr. Volkmar wird nie Mangel an Transplantaten haben.«
»Weiß er das?«
»Er wird es nie erfahren. Er wird immer glauben, daß ich aufgrund meiner guten Beziehungen zu allen Kreisen und Behörden an Verunfallte herankomme und deren Herzen kaufe. Natürlich mit einem Vertrag, der mit den Hinterbliebenen geschlossen wurde.«
»Und wenn er doch dahinterkommt? Zufälle sind das Spielzeug des Schicksals. Was dann?«
»Es ist völlig ausgeschlossen! Er sieht den Herzspender erst, wenn er bereits zur Operation bereit ist. Alles, was vorher zu tun ist, übernimmt Dr. Nardo. Bei Unfallopfern kann man nicht lange fragen, da muß schnell gehandelt werden. Und außerdem …«
»Was außerdem?«
»Enrico wird im nächsten Jahr – ich hätte es gern im Mai – Loretta
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