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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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man sie einfach verschmort. Es gab kein Blut, das die Übersicht behinderte und das man absaugen mußte. Die Elektrokoagulation schuf einen sauberen Operationsraum.
    Das Herz des jungen Mannes klopfte kräftig, mit einem herrlich gesunden Rhythmus. Volkmar beobachtete ihn auf dem Bildschirm: Eine Pulsation, die Freude machte.
    »Frequenz?« fragte er.
    Die Stimme aus dem Lautsprecher antwortete sofort: »70!«
    »Hervorragend! In einer halben Stunde sind wir soweit! Decken Sie ab.«
    »Verstanden, Chef.«
    Im OP II wurde die große Brustöffnung mit warmen Tüchern zugedeckt. Dann starrten die vier Ärzte wieder auf den Bildschirm und erlebten, wie Dr. Volkmar die Stümpfe der großen Gefäße mit den Teflonadern vernähte. Die Haare sträubten sich ihnen, wie auch den anderen Ärzten, die um Volkmars Tisch standen, als er, nach dem Vernähen des ersten Zwischenstücks mit der Lungenvene, an dem implantierten Stück zog.
    Die Naht hielt. Die nächsten Tage würden den Beweis erbringen, daß sie auch das neue Herz tragen konnten. Ein Herz, das jetzt nur noch ein Motor war, an Kunststoffadern aufgehängt, die einen unmittelbaren Kontakt zwischen den beiden fremden Geweben verhinderten. Damit war natürlich die Immunreaktion nicht aufgehoben, aber eine Abstoßung und Nekrose der Gewebe – wenn sie überhaupt eintrat! – äußerte sich nicht mehr als sofortige Unverträglichkeitserscheinung.
    Dr. Volkmar trat einen Schritt vom Tisch zurück, ließ seine Handschuhe wechseln und das Gesicht mit einer Sterillösung waschen. Auch Dr. Nardo und die beiden Assistenten am OP-Tisch tauschten die Gummihandschuhe aus. Als sie wieder unter das Licht der Operationslampe traten, schien es, als sei Dr. Nardo bleicher geworden.
    Jetzt, dachte er. Jetzt! Gleich kommt das Kommando: Herzaustausch.
    Er blickte, genau wie Dr. Volkmar, auf den Bildschirm. Die Ärzte im OP II hatten den Körper wieder abgedeckt. Das junge Herz schlug kräftig. Sechs Hände mit Scheren und Gefäßklammern hielten sich bereit für dieses junge, heftig schlagende Herz …
    »Austausch!« sagte Volkmar laut und klar. »Lassen Sie lange Gefäßstümpfe dran. Ich amputiere lieber hier nach …«
    »Verstanden, Chef!«
    Die Klammern packten zu, unterbanden den Blutstrom, die Scheren durchtrennten Venen und Arterien. Das junge, gesunde Herz zuckte krampfhaft, als könne es aufschreien.
    In diesem Augenblick starb der junge Fischer Rinaldi Sampieri, zweiundzwanzig Jahre alt. Auf dem OP-Tisch ermordet, weil man sein Herz brauchte. Es brachte zwei Millionen Dollar ein.
    Das war die furchtbarste Sekunde in der Geschichte der modernen Medizin.
    Die Operation dauerte vier Stunden.
    Dr. Volkmar blieb am Tisch, bis der Blutkreislauf von der Herz-Lungen-Maschine wieder in das neue Herz umgeleitet worden war. Ein Elektrostoß zwang es, zu pumpen – und dann hoben sich, erst zaghaft, dann immer schneller und höher und gleichmäßiger, die Zacken auf dem Oszillographen; das junge Herz klopfte mit voller Leistung und trieb das Blut, sauerstoffreich, durch Achmed ibn Thalebs Körper.
    Noch einmal blickte Volkmar in den offenen Brustkorb. Die Nähte hielten, es gab keine Leckstelle. In Kürze würden die Innenwände der Teflonprothesen vom Blut ausgekleidet sein, eine Schutzschicht, glatt und den Blutstrom unterstützend. »Die Adern werden geschmiert!« – so nannte es Volkmar.
    Er nickte, trat vom Tisch zurück und streckte die Arme weit von sich. Ein junger Arzt riß ihm die Handschuhe ab und löste das Mundtuch. Volkmar ging noch ein paar Schritte zurück, blickte auf den Oszillographen und atmete tief auf.
    »Das wäre es!« sagte er langsam. »Er wird überleben. Wenn wir Glück haben!«
    Als er sich umwandte, um zu gehen, begannen alle im OP zu klatschen. Spontan geschah das, es war die Befreiung von einer Anspannung, die zuletzt kaum noch zu ertragen gewesen war. Achtzehn Ärzte schlugen die Hände gegeneinander und stampften mit ihren weißen Schuhen.
    Dr. Volkmar wandte sich an der Tür noch einmal um.
    »Danke«, sagte er müde. Jetzt sah man ihm die Erschöpfung an. Sein Gesicht zerfiel, schien uralt geworden.
    Nach vorn gebeugt, mit der großen Sehnsucht nach einem Bett und völliger Ruhe, mit Heißhunger auf einen dreistöckigen Kognak und doch innerlich so aufgewühlt, daß seine Hände zu zittern begannen, durchlief er die drei Schleusen und riß die Tür seines großen Zimmers auf.
    Auch hier empfing ihn Applaus. Dr. Soriano und ein fremder Herr standen vor

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