Das Haus der verlorenen Herzen
gesagt habt! Das größte und sonderbarste geheime Unternehmen steht auf festen Füßen! Es dürfte wenige Institutionen geben, mit denen man jeden Monat mindestens acht Millionen Dollar verdient! Ich glaube, wir dürfen zufrieden sein, liebe Freunde.«
Zufrieden war auch Dr. Volkmar mit seinem ersten Patienten Achmed ibn Thaleb. Der Libanese lief seit drei Tagen fröhlich herum, war aus dem Keller und seinen Sterilschleusen verlegt worden in die vorbereiteten schönen Krankenzimmer und genoß seine Gesundung wie ein geschenktes neues Leben. Er saß viel auf der völlig verglasten und keimfrei gemachten Veranda, sonnte sich in der Wintersonne, die durch das dicke Glas geradezu sommerlich wärmte, saß vor dem Fernseher, oder hörte Schallplatten, die selbstverständlich auch steril gemacht worden waren, und aß mit gutem Appetit die vor dem Servieren bestrahlten Speisen.
Ständige Kontrollen bewiesen: Die Abstoßerscheinungen waren eingestellt worden. Thaleb war fieberfrei, die Medikamente unterdrückten jede Immunreaktion.
»Das ist ein Balanceakt, Mr. Thaleb!« sagte Dr. Volkmar einmal zu ihm. »Mit ihm werden Sie nun zeitlebens zu tun haben: Die Unterdrückung der körpereigenen Abwehr und der Kampf gegen Infektionen, die von außen kommen und gegen die sich Ihr Körper nicht mehr abschirmen kann.«
»Ich werde es schaffen, Doktor.« Thaleb war von einem fast kindhaften Vertrauen. »Dr. Nardo sagt, einmal – früher oder später – wird sich der Körper an das neue Herz gewöhnt haben und nicht mehr reagieren.«
»Das sind Wunschträume. Bis jetzt noch. Sie sind jedenfalls der erste Mensch, der ein vollkommen neues Herz hat und noch lebt! Sie werden zum Modell einer neuen Herzchirurgie werden. Nur wird es leider nie einer erfahren. Ich kann Sie nie zum Beweis vorzeigen.«
»Aber Sie werden trotzdem vielen Menschen das Leben retten können, Doktor. Das muß Sie doch stolz machen.«
»Stolz?« Dr. Volkmar lächelte bitter. »Wie ein Falschmünzer arbeite ich in einem Keller, zwei Etagen unter der Erde.«
»Denken Sie nur an die Patienten, für die Sie zu einem Gott werden!«
»Und die zwei Millionen Dollar dafür bezahlen.«
»Wir haben es! Was stört Sie an dem Geld?«
»Daß ich es verdienen soll mit einer tödlichen Fließbandarbeit. Aber ich glaube, das verstehen Sie nicht.«
»Nein.«
»Ich dachte es mir.«
»Sie heilen Todkranke und machen sich Gewissensbisse?!«
»Ich operiere nach einer Methode, die, medizinisch gesehen, ein Hasardeurstück ist! Ein schreckliches Vabanque-Spiel mit dem Leben der Menschen.«
»Ist das nicht jede große Operation?«
»Ja und nein! Aber ein Herzaustausch stößt über die Grenzen dessen hinaus, was dem Menschen bisher möglich war.«
»Bisher möglich – das haben Sie richtig gesagt, Doktor.« Thaleb sah Dr. Volkmar in seiner kindlichen Gläubigkeit strahlend an. »Sie haben es geschafft. Sie allein auf der ganzen Welt! Nur daran sollten Sie denken! Nur daran!«
Volkmar verließ bald darauf das Zimmer und streifte im Vorraum seinen sterilen grünen Kittel ab. Er wird sich wundern, dachte er. Noch lebt er unter einer Glasglocke, völlig abgeschirmt von der Welt. Die Probleme fangen an, wenn er wieder unter die Menschen darf, in diese sogenannte ›freie Luft‹, die dick wie eine Suppe ist durch Bakterien und Viren. Es fängt an, wenn er wieder mit einer Frau im Bett liegt. Von ihren zärtlichen Lippen werden Millionen Erreger auf ihn überfließen, und mit dem Schweiß aus ihren Poren wird Thaleb in einem Meer von Bakterien baden. Alles, was er anfassen wird, ist im medizinischen Sinne verseucht. Sein Körper wird in einem ständigen Abwehrkampf stehen.
Ist das ein Leben, das man sich wünschen kann?
Die ständige Angst, ein normaler Husten könnte schon den Tod bedeuten?! Ein Schnupfen? Keine Taschentücher einstecken, sondern den Sarg bestellen! Eine Bronchitis? Holt keinen Arzt, holt einen Priester!
Ein Leben voller Angst. Lohnt sich das?
Aus Kapstadt meldeten Sorianos Beobachter höchst vertrauliche Informationen. Professor Barnard hatte einen neuen Patienten auf seine Liste gesetzt. Einen Zahnarzt, Dr. Blaiberg. Wann er operiert werden sollte, wußte allerdings niemand. Barnard, durch Waskanskys Tod gewarnt, ließ die vorgesehene Krankenstation umgestalten. Wie Dr. Volkmar richtete er Sterilschleusen zwischen dem Krankenzimmer und der Außenwelt ein. Die immunbiologische Forschungsgruppe steckte in Großversuchen. Für den zweiten Anlauf in eine
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