Das Haus der verlorenen Herzen
Knöpfe und rief alle Krankenzimmer ab. Überall das gleiche Bild: Ruhe. Die drei Patienten, die vor der Entlassung standen, bekamen gerade das zweite Frühstück serviert.
»Was haben Sie denn gesehen?« fragte Volkmar.
»Doch nicht die Patienten!« Der junge Arzt winkte ab. Er hatte großen Respekt vor seinem Chef und nicht gewagt, ihn zu unterbrechen. »Die anderen …«
»Welche anderen?«
»Die Herzspender.«
»Wer, bitte?«
»Die Männer von Block III …« Der junge Arzt starrte seinen Chef verwirrt an. »Ich habe auch Dr. Crichi alarmiert. Er sagt, es gebe da eine Art Gas, aber genau kenne er sich auch nicht aus. Er ist schon vorausgelaufen. Da habe ich mir gedacht, daß Sie, Herr Chefarzt … Schon wegen des Gases …«
Dr. Volkmar kam es vor, als vereise sein ganzer Körper. Sogar das Sprechen machte ihm Mühe.
»Was für ein Gas?« sagte er langsam.
»Zur Ruhigstellung. Aber ich weiß nicht …« Der junge Arzt schwieg. Die Veränderung, die mit seinem Chef vorgegangen war, erschreckte ihn sichtlich. Volkmar war bleich geworden.
»Ich … ich werde mich darum kümmern!« Er kam um den großen Schreibtisch herum mit staksigen Schritten, wie eine aufgezogene Puppe. Aber plötzlich stürzte er vor und riß den völlig verwirrten jungen Mann an den Aufschlägen seines Arztkittels zu sich heran. »Wo ist das?« schrie Volkmar. »Wo und wer?!«
»Die Männer von Block III«, stotterte der Arzt. »Unsere Herzbank.«
»Führen Sie mich sofort hin! Sofort!« brüllte Volkmar. Er drehte den Arzt herum und stieß ihn vor sich her. Willenlos rannte der ahnungslose Neuling durch den langen Flur, bog in die Zentralhalle ein und schloß eine Tür auf, die Volkmar nie beachtet hatte, weil auf dem Türschild lediglich Magazin stand. Darunter hing eine lustige bunte Zeichnung; eine Kinderschar mit Bällen und Puppen.
Der junge Arzt schloß die Tür auf. Dahinter war ein kleiner Raum, kein Magazin, eher Warteraum vor einem breiten Lift mit Stahltüren. Auf Knopfdruck kam die Kabine sehr schnell hinunter und fuhr ebenso schnell wieder nach oben.
Der abgesperrte Teil der oberen Etage von Block III war durch zwei dicke, doppelwandige, sandgefüllte Stahltüren gesichert: Türen mit großen Hebelverschlüssen, wie man sie von Luftschutzschleusen kennt. Mit einem Spezialschlüssel entsicherte der Arzt die Türen, drückte sie auf und warf sie hinter sich wieder zu. Sie standen in dem langen, kahlen Flur.
Vollkommene Stille umgab sie. Der junge Arzt blickte seinen Chef an und zuckte mit den Schultern. »Als ich wegging, war hier die Hölle los«, sagte er, wie um Entschuldigung bittend. »Vielleicht hat Dr. Crichi schon …«
Volkmar spürte, wie ein Zittern seinen Körper durchlief. »Crichi!« brüllte er in die unheimliche Stille hinein. »Crichi! Wo sind Sie?!«
»Sicherlich ganz hinten im Maschinenraum!« sagte der junge Arzt.
»Ihr Saukerle!« stammelte Volkmar. »Ihr Teufel. Mörder!«
Der Arzt verstand das falsch. Er wischte sich über das jungenhafte Gesicht. »Bisher hat immer Dr. Nardo selbst … Auch Dr. Crichi kennt die Dosierung nicht. Aber ich glaube nicht, daß etwas passiert ist … Bei der Instruktion hat uns Dr. Nardo gesagt …«
Volkmar stieß den Arzt zur Seite und stürzte auf die erste Tür zu. Auch sie war doppelwandig und hatte einen Hebelverschluß.
»Nicht öffnen!« schrie der junge Arzt. Er packte Volkmar an den Schultern und riß ihn zurück, bevor er den ersten Hebel herumlegen konnte. »Chef, Sie werden doch betäubt! Das Gas ist ja gerade erst reingeblasen worden!«
»Aufmachen!« sagte Volkmar dumpf. »Machen Sie sofort die Tür auf. Alle Türen. Sofort! Oder ich schlage Ihnen den Schädel ein!« Er ballte die Fäuste.
Der junge Arzt verstand seinen Chef nicht mehr. Er nickte, drehte sich auf der Stelle um und rannte den langen Flur hinunter. »Crichi!« schrie er dabei. »Blas das Gas ab! Entlüften! Der Chef will in die Zimmer!«
Ganz hinten, in der letzten Tür auf der anderen Flurseite, erschien Dr. Crichi und blickte ungläubig auf Volkmar. Dann verschwand er wieder im Maschinenraum. Der junge Arzt blieb stehen und hob lauschend den Kopf. Von der Decke her kam ein leises Rauschen. Ein Motor summte.
»Frischluft!« sagte der Arzt. »Gleich können Sie hinein, Chef.«
Es dauerte noch fünf Minuten – eine entsetzlich lange Zeit für Volkmar –, bis Dr. Crichi aus dem Maschinenraum kam: bleich, mit zuckendem Gesicht, den Kopf in die Schultern gezogen.
»Sie können,
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