Das Haus der verlorenen Herzen
allein eine Angelegenheit von Signore Tortalla!«
»Kennen Sie den Arzt und das Krankenhaus, Dottore?«
»Nein!« Der Anwalt schüttelte den Kopf. Jeder glaubte ihm das. »Ich bin nur beauftragt, Ihnen zu erklären, daß mein Mandant in Ruhe gelassen werden möchte. Er will sofort nach Hause, weil seine Behandlung hier skandalös ist! Sein Herz geht keinen etwas an!«
»Die Staatsanwaltschaft ist da anderer Ansicht.« Es sprach der Oberstaatsanwalt, der bisher noch nichts gesagt hatte. »Sie schließt sich den Ausführungen von Professor Latungo an: Diese Operationsmethode ist abenteuerlich! Abenteuer in der Medizin aber sind, eben weil Menschen dabei zu Schaden kommen, von öffentlichem Interesse. Der Staat muß sich darum kümmern! Wir werden ein Gutachten anfordern und sind sicher, daß dieser noch unbekannte Arzt in der noch unbekannten Klinik die Staatsanwaltschaft beschäftigen wird.«
»Aber wie wollen Sie den Arzt kennenlernen?« rief der erste Anwalt. »Wollen Sie die Röntgenbilder und die Fotos von Signore Tortalla um die ganze Welt funken lassen? Allen Zeitungen, Illustrierten, Fernsehstationen senden?« Der Anwalt hob die Stimme, als stünde er vor dem obersten römischen Gericht. »Ich protestiere nicht nur dagegen, ich mache auch die Staatsanwaltschaft für alle persönlichen, geschäftlichen und gesellschaftlichen Schäden verantwortlich, die Signore Tortalla durch das Bekanntwerden seines körperlichen Leidens entstehen!«
»Mir ist es rätselhaft, wie diese Operationen – denn sicher wurden einige vorgenommen – bisher unbekannt bleiben konnten«, sagte Professor Latungo unbeirrt. »Eine solche Tranplantation beschäftigt ein bis zu achtzehn Mann starkes Ärzteteam! Die Schwestern nicht mitgerechnet, die später auf Intensivstation und in der Pflege arbeiten! Es muß also eine große Klinik gewesen sein, eine Klinik mit bester Ausrüstung! Wieso ist da nichts durchgesickert? Es gibt keine größere Klatschzentrale als eine Klinik. Aber hier? Nichts! Absolut nichts! Totales Schweigen. Meine Herren, wir können aufzählen, wo man solche Operationen machen kann. Es gibt nicht viele Häuser, die entsprechend ausgestattet sind. Amerika fällt aus; da hätte man die Meldungen von solchen Großtaten der Medizin längst um den Erdball gejagt. Paris? Auch hier hätte es einen Erfahrungsaustausch unter Kollegen gegeben. Deutschland? Aus München, Düsseldorf, Erlangen, Berlin und Hamburg ist nichts bekannt. Auch nicht aus Tübingen, Heidelberg oder Köln. Mit Transplantationen beschäftigen sich alle, wie Gütgemann in Bonn – aber eine solche Herzoperation? Hier in Italien? Unmöglich! Bei Barnard in Kapstadt? Was im Groote-Schuur-Hospital geschieht, weiß jeder. Von dort ist der Informationsfluß lückenlos. London, Stockholm, Brüssel, Sydney, Amsterdam? Überall das große Abraten nach den vielen Rückschlägen. Überall nur Tierexperimente.« Professor Latungo tippte mit seinem Zeigestock wieder gegen die Röntgenbilder. Seine Hand zitterte vor Aufregung. »Aber hier haben wir den Beweis: Irgendwo tauscht man mit Erfolg ganze Herzen aus! Und das soll einem gleichgültig sein? Ich bitte Sie, meine Herren!«
»Vielleicht fragen Sie einmal in Rußland oder China nach?« sagte der erste Anwalt sarkastisch. »War es nicht auch Demichow, der einen Hundekopf auf einen anderen Hund transplantierte, und dieser Hund lebte mit zwei Köpfen wochenlang weiter?!«
»Es läßt sich feststellen, ob Signore Tortalla in Peking oder Moskau war«, sagte der Generalstaatsanwalt. »Dann allerdings wäre sein Schweigen erklärbar.«
»Ich kann Ihnen Arbeit ersparen«, sagte der Anwalt. »Signore Tortalla war weder in Moskau noch in Peking! Er war auch nicht in den USA. Allerdings reiste er nach Kapstadt und stellte sich Professor Barnard vor. Barnard lehnte die Operation ab; er beobachtete noch seinen Starpatienten Dr. Blaiberg. Außerdem gab Barnard, das sagte er ganz offen, Signore Tortalla keine Chancen. Labortests ergaben zudem, daß Signore Tortalla seltene Eiweißverbindungen hat. Es wurde als aussichtslos betrachtet, jemals einen Herzspender zu finden, der genetisch harmonisierte. Man ist ja auf Unfallopfer angewiesen.«
»Sie verstehen ja was von Medizin!« rief Professor Latungo. »Und damit drängen Sie Ihren Mandanten in die Aussagepflicht! Trotz all dieser Schwierigkeiten, die selbst Barnard als unüberwindbar betrachtete, wurde dennoch eine vollkommene Herztransplantation vorgenommen – und mit
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