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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hatte, Leone Tortalla hieß und ein bekannter Bankier aus Mailand war, schlief noch in tiefer Erschöpfung und unter der Schockeinwirkung – hatten sich im Zimmer des Chefarztes Professor Latungo alle Ärzte des Spitals versammelt. An der Lichtwand hingen nebeneinander zehn Röntgenbilder, Thoraxaufnahmen von verschiedenen Seiten, bis in die Einzelheiten scharf. Die Ärzte standen vor dieser einmaligen Bildergalerie und sahen sie mit stummer Verwunderung an. Sie dachten alle das gleiche: Das ist unmöglich!
    Professor Latungo sprach es aus: »Meine Herren, ich brauche Ihnen das nicht zu erklären … Sie sehen es alle! Signore Tortalla hat eine Herztransplantation hinter sich. Das ist ungewöhnlich, aber im Grunde nicht mehr sensationell. Aber: Was Sie da sehen, ist etwas, was es gar nicht gibt: eine vollkommene Transplantation. Ein völlig neues Herz! Und transplantiert mit einem unbekannten Verfahren! Noch nie in der Medizin ist bisher ein ganzes Herz ausgetauscht worden. Nie hat es diese Operationsmethode gegeben, wie Sie sie jetzt auf den Bildern sehen! Das ist ungeheuerlich!« Professor Latungo wischte sich über die Augen. »Nirgendwo ist eine solche Operation in der Literatur beschrieben worden! Wo also wurde diese Transplantation gemacht? Wer hat sie gemacht?! Und dann das Rätsel aller Rätsel: Wieso hat Signore Tortalla sie überlebt?! Das müssen wir klären.«
    Es gab nichts zu klären. Leone Tortalla verweigerte jede Auskunft, schnitt jede Frage ab.
    »Ich verlange, daß man mich zurück nach Mailand bringt!« sagte er, als er kräftig genug war, und das war er, zur Verwunderung der Ärzte, bereits nach zwei Tagen. »Ich verlange, daß man mich endlich in Ruhe läßt! Wer hat Ihnen überhaupt erlaubt, meinen Brustkorb zu öffnen?! Haben Sie keine anderen Methoden zur Wiederbelebung? Ein Skandal! Ich möchte sofort zurück nach Mailand.«
    »Sie haben ein neues Herz«, sagte Professor Latungo geduldig.
    »Nein!«
    »Signore Tortalla! Die Röntgenbilder, der Thoraxschnitt … Sie können doch einem Arzt nicht erzählen … An Ihnen ist eine vollkommene Herztransplantation vorgenommen worden. Eine – ich gebe es zu – phantastische Operation. Erzählen Sie uns bitte, wo sie gemacht wurde und wer der Operateur war.«
    »Ich will meine Ruhe!« schrie Leone Tortalla. »Ich habe Sie nicht gebeten, in meinen Thorax hineinzufotografieren!«
    »Sie haben –«, setzte Professor Latungo wieder an. Aber Tortalla hieb mit der Faust gegen das Bett.
    »Kein Wort mehr! Ich will ein Telefon, um meine Anwälte anzurufen! Ich fühle mich von Ihnen belästigt und bedroht! Wie kann ein Arzt …«
    »Sie haben ein neues Herz«, sagte Professor Latungo unbeirrt. »Transplantiert mit einer Methode, die es gar nicht gibt! Ich muß Sie hierbehalten, Signore, und die Staatsanwaltschaft benachrichtigen. Ihr neues Herz ist keine absolute Privatangelegenheit mehr. Ein solches Herz nicht!«
    »Was soll das heißen: Nicht ein solches Herz?!«
    Gegen den Willen Tortallas, der mit Anzeigen wegen Mißhandlung und Freiheitsberaubung drohte, röntgte man seinen Brustkorb noch einmal von allen Seiten und mit Schichtaufnahmen, die deutlich bewiesen, daß ein neues Herz durch Verbindungsstücke aus Kunststoff in das Gefäßsystem eingehängt worden war. Der Körper hatte nicht nur das Herz angenommen, auch die Prothesen waren bereits weitgehend integriert und als neue Adern vom Körper akzeptiert worden.
    Professor Latungo und seine Ärzte saßen wie im Theater vor den Röntgenbildern und diskutierten. Das Spital der ›Schwestern vom flammenden Herzen Maria‹ wurde zum Pilgerort aller römischen Chirurgen, an der Spitze die Ärzte der Universität, die schon vor zwei Jahren mit großem Mißtrauen die Transplantationen Christiaan Barnards verfolgt hatten. Auch die Mißerfolge der anderen Herzverpflanzer, in Amerika vor allem Professor Denton Cooley und Professor Michael DeBakey, die Houston in Texas zu einem Mekka der hoffnungslos Herzkranken hatten werden lassen, waren mit bitterer Ironie glossiert worden. Ein Herz ist eben doch nicht nur ein Muskel, nicht nur ein Pump-Gehäuse, das jeden Tag im immerwährenden Kreislauf 15.000 Liter Blut durch das Adersystem des Körpers treibt. 80mal in der Minute schlägt dieses Herz, 100.000mal am Tag, und wenn ein Mensch 70 Jahre alt wird, hat dieses Herz fast 3 Milliarden mal gepumpt, ohne Ruhe, Tag und Nacht. Eine unvorstellbare Leistung für einen von der Natur kompliziert und raffiniert

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