Das Haus der verlorenen Herzen
Dr. Soriano zum Thema überleiten konnte, in die Stille hinein:
»Sie sind also der Mann, der Herzen verpflanzen kann?!«
»Nein.« Es tat Volkmar gut, dieses Nein klar und hart zu sagen.
»Aha!« rief Don Franco. »Was hat man uns denn da erzählt?!«
Dr. Soriano schien nicht im geringsten betroffen. Er ging zu seinem Tisch zurück und setzte sich. Wie vor einem Gerichtshof stand Dr. Volkmar allein vor den Blicken des Großen Rates. Auch Dr. Nardo war in den Hintergrund getreten und hatte sich auf einen Stuhl neben einer aufgespannten Kinoleinwand gesetzt. Die Demonstration mit Fotos aus der Versuchsklinik, die man in Palermo nur als ›soziales Altersheim‹ kannte, stand noch aus.
»Wir wollen uns den Beginn unserer Freundschaft erleichtern, Dottore«, sagte Soriano milde. »Wir sind eine große Familie, und Sie, als neues Mitglied, sollen vorgestellt werden. Sie sind Chirurg.«
»Ja«, antwortete Dr. Volkmar.
»Sie haben sich bei Ihren Forschungen mit der Herztransplantation beschäftigt und gelten auf diesem Gebiet als Experte.«
»Ich maße mir kein Urteil an.«
»Ich weiß es, Dottore. Es ist Ihnen gelungen, Affen und Hunde mit fremden Herzen wochenlang leben zu lassen. In spätestens einer Woche haben wir die Fotokopien all Ihrer wissenschaftlichen Arbeiten hier. Meine Mitarbeiter sind pausenlos unterwegs. Ein Fernschreiben aus München, das ich vor einer Stunde erhielt, gibt einen Kommentar Ihres Klinikchefs wieder. Er sagt: ›Mit dem tragischen Unglücksfall, dem Dozent Dr. Volkmar zum Opfer fiel, ist der Forschung auf dem Gebiet der Organverpflanzung ein unersetzlicher Verlust entstanden. Ich befürchte, daß wir um mindestens ein Jahr zurückgeworfen worden sind. Dr. Volkmar arbeitete an völlig neuen Operationsmethoden und serogenetischen Forschungen, die das Risiko vor allem von Transplantationen im Cardiabereich vermindern … ‹«
Dr. Volkmar schüttelte lächelnd den Kopf. »Das hat Professor Hatzport an die Presse gegeben? Unbegreiflich. Vor drei Wochen hörte sich das noch anders an …«
»Der Toten Ruhm ist der Sessel der Lebenden!« Dr. Soriano legte das Fernschreiben zurück auf den Tisch. »Stimmt das, Dottore? Sie haben neue Wege entdeckt?«
»Vielleicht. Wir stehen noch am Anfang.«
»Aber Sie sind fest davon überzeugt, daß man Herzen verpflanzen kann?«
»Ja. Technisch ist das Problem fast gelöst, nur immunbiologisch noch nicht. Unter tausend oder zweitausend Menschen sind vielleicht zwei, deren Proteine und Proteide miteinander harmonisieren. Aber das ist noch laienhaft ausgedrückt. Die körpereigene Abwehr setzt sich aus vielen Komponenten zusammen, die wir zum Teil noch gar nicht kennen oder, selbst wenn sie uns bekannt sind, noch nicht beherrschen.«
»Danke, Dottore.« Dr. Soriano war zufrieden. Volkmar hatte mehr gesagt, als er erwartet hatte. Er hatte mit stummem Widerstand gerechnet, mit eisigem Schweigen. Jetzt aber konnte er mit seinem Vorschlag herausrücken: »Wir haben Sie gebeten, unser Gast zu sein, weil wir Sie überraschen wollen. Sie werden alle finanziellen und technischen Möglichkeiten erhalten, um Ihre Forschungen weiterzuführen. Operationsräume, Labors, Versuchstiere stehen bereits zur Verfügung. Dr. Nardo arbeitet seit zwei Jahren an dem gleichen Problem, mit wechselndem Erfolg. In den Bergen von Camporeale entstehen zur Zeit eine große Kinderklinik und ein Kinderheim. Ein Seitentrakt wird eine Herzklinik beherbergen, ausgestattet nach den modernsten Erfahrungen. Sie wird Ihnen Arbeitsmöglichkeiten bieten, wie sie kein anderer Chirurg auf der Welt besitzt. Sie, Dr. Volkmar, werden diese Herzklinik leiten. Wir freuen uns, Ihnen das sagen zu können. Mit dem Bau und der kompletten Einrichtung werden wir in einem halben Jahr fertig sein.« Dr. Soriano nickte Volkmar fast väterlich-stolz zu. »Ist das eine Überraschung, Dottore?«
»Das kann man sagen.« Volkmar blickte in die Runde. »Ich lehne ab!«
»Wie erwartet.« Soriano hob die Hand, als er sah, daß Don Bertoldo und Don Franco etwas fragen wollten. »Wir sprechen noch darüber, Dottore. Es ist unser Vorteil, daß wir nicht unter Zeitdruck stehen. Fragen Sie Ihr ärztliches Gewissen: Ich kann für die ganze Menschheit etwas tun und sage nein! Ist das richtig?! Wer sonst bietet Ihnen diese Möglichkeiten? Keiner! Bei uns können Sie nicht nur an Ratten, Kaninchen, Hunden und Affen forschen … Sie können auch am Menschen …«
Wortlos drehte sich Dr. Volkmar um und ging aus dem
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