Das Haus der verlorenen Herzen
kam. Schließlich war auch Domenico erschöpft, hockte sich auf die Trümmer seines Bettes und wartete.
Er wußte für alles keine Erklärung.
Nicht anders erlebten die anderen jungen Burschen ihr Erwachen nach langer Betäubung. Auch sie klopften, trommelten und brüllten, aber die Wände schienen jeden Laut zu schlucken.
In einem anderen Teil der Klinik, einem Keller über der ›Abteilung HS‹, wie man die Einzelzimmer tief unter der Erde nüchtern nannte, saßen Dr. Nardo und Benjamino Tartazzi, ein bulliger Kerl und Leiter der ›Einsatztruppe‹, an einem runden Tisch einander gegenüber.
»Wir haben acht Knaben gesammelt!« sagte Tartazzi fröhlich. »Kraftstrotzend und gesund, soviel man von außen sehen kann. Jeder wäre gut als Zuchtbulle! Brauchen Sie noch mehr, Dottore?«
»Das wird die Untersuchung ergeben«, antwortete Dr. Nardo. »Wir brauchen einen besonderen Eiweißtyp.«
»Was braucht ihr?« fragte Tartazzi verblüfft zurück. »Eiweiß?«
»Schon gut.« Dr. Nardo winkte ab. »Hat es Schwierigkeiten gegeben?«
»Überhaupt nicht. Warum auch? Das geht alles ruckzuck! Auf diese Weise ist Nachschub gar kein Problem …«
Während auf den Polizeistationen die Vermißtenmeldungen eingingen und die Verwandten der Verschwundenen lamentierten, begannen in der unterirdischen Klinik von Camporeale die ersten Untersuchungen der Kandidaten, wie Dr. Nardo die noch ahnungslosen jungen Burschen nannte. Mit einem unschädlichen Gas, das durch die Luftschächte der Klimaanlage geblasen wurde, machte man die Männer willenlos und transportierte sie dann zum Röntgen, entnahm ihnen Blutproben, Liquor und Muskelfleisch und stellte ihnen dann ein opulentes Mahl auf den Tisch. Als sie aufwachten, fehlte nichts, vom Wein bis zum Käse, von der Minestrone auf einem Wärmeteller bis zum Lammbraten mit grünen Nudeln.
Das Labor arbeitete die ganze Nacht durch. Am nächsten Morgen gab Dr. Nardo nach Solunto durch, daß man nach seiner Meinung den richtigen Herzspender für Achmed ibn Thaleb gefunden habe. Einen Fischer aus Pizzolato. Seine Eiweißmoleküle reagierten am freundlichsten auf Thalebs Gewebe – soweit das labortechnisch nachweisbar war.
Dr. Soriano besuchte Dr. Volkmar vor dem Frühstück. Diesmal war Loretta noch in Volkmars Bett gewesen. Sie kam, in einem traumhaften Negligé, das ihre herrliche Figur durchschimmern ließ, mit Volkmar in die Halle. Dr. Soriano zog die Unterlippe durch die Zähne. Für einen Vater ist das kein besonders erfreulicher Anblick. Lorettas Schamlosigkeit trieb ihm das Blut pochend in die Schläfen.
»Wir haben das richtige Herz«, sagte er ohne Begrüßung. »Sie können operieren!«
»Wer ist es?«
»Ein vierundzwanzigjähriger Motorradunfall. Dr. Nardo kann Ihnen alle Daten geben. Auch die Einverständniserklärung der Eltern. Der junge Mann ist – ich verstehe davon nichts, ich verlasse mich auf die Aussagen der Ärzte – klinisch tot, das heißt, seine Hirnfunktion ist erloschen. Nur sein Herz wird noch durch medizinische Tricks am Schlagen gehalten. Wie lange das möglich ist, weiß ich nicht. Können Sie sofort operieren?«
Dr. Volkmar blickte auf seine Armbanduhr. »In zwei Stunden?«
»Erst?«
»Ich muß ja hinaus nach Camporeale.«
»Ein Hubschrauber bringt Sie hin!« Soriano deutete auf das Telefon. »Wenn Sie Dr. Nardo anrufen und Anweisungen geben, kann er schon alles vorbereiten. Er steht Gewehr bei Fuß.«
»Und der Herzspender?«
»Ist bereits überführt und liegt an einem Gewirr von Schläuchen – wie Dr. Nardo sagt.«
In der Klinik war tatsächlich alles zur Operation bereit. Als Volkmar mit Nardo sprach, hatte er den Eindruck, als liege Achmed ibn Thaleb schon zur Narkose präpariert im Vorraum von OP I. Die Laborwerte, die Nardo schnell durchgab, waren ideal. Man konnte sich keinen besseren Herzspender denken.
»Sie haben unverschämtes Glück, Don Eugenio!« sagte Dr. Volkmar stockend.
»Mehr als Professor Barnard. Sein Louis Waskansky baut ab. Er hat eine Infektion bekommen, Lungenentzündung … So die letzten Rundfunkmeldungen.«
»O Gott! Ich kann nachempfinden, wie es jetzt in Barnard aussieht.«
»Er kämpft bis zum Umfallen um seinen Patienten.« Soriano erhob sich aus dem Sessel. »Wir haben bessere Ausgangspositionen. Bei uns gibt es keine Infektionen! Vor allem aber Ihre eigene Operationsmethode, Enrico!«
Eine halbe Stunde später betrat Dr. Volkmar die unterirdischen Operationsräume. Zwei Ärzte mit den Röntgenbildern
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