Das Haus der verlorenen Herzen
bereits jetzt schon so lang war, daß auch ein Millionenscheck nichts mehr bewirkte. Sorianos Kontaktmann in Kapstadt hatte den Schwerkranken in seinem Hotel aufgesucht und ihm das Angebot unterbreitet, nachdem man einig geworden war, völliges Stillschweigen über dieses Gespräch zu bewahren.
Das Befinden Louis Waskanskys trug sehr zu dem Entschluß bei, sich der Klinik in Camporeale anzuvertrauen. Waskansky, das brachten alle Zeitungen und Fernsehstationen, saß bereits in seinem Bett, aß mit gutem Appetit, hatte die ersten Schritte in seinem Zimmer gemacht, gab Interviews und erzählte der staunenden Welt, daß er sich mit dem neuen Herzen fabelhaft fühle, wie neugeboren, geradezu verjüngt, und hob, breit lächelnd, Zeige- und Mittelfinger hoch in Churchill-Manier: Victory! Sieg über den Tod! Ein Bild, das Geschichte machte.
Professor Barnard verbreitete nur gedämpften Optimismus. Er kannte die Laborwerte, die ihm viermal täglich vorgelegt wurden und die bisher nur schwache Abwehrreaktionen signalisierten. Er wartete. Er war, wie jeder Arzt, vor allem der Chirurg, auf die Natur des Kranken angewiesen. Die Medikamente, mit denen man Waskansky vollpumpte, stoppten die Immunreaktionen bis auf ein Minimum, aber gerade dieses Minimum konnte auf die Dauer gefährlich werden. Ob der Körper nun ein fremdes Organ sofort massiv oder langsam, schleichend abstößt – der Endeffekt ist der gleiche.
Die Welt erfuhr von diesem stillen Kampf nichts. Sie sah nur die gelungene Operation. Der Anbruch eines neuen Zeitalters der Medizin! Ohne es gewollt zu haben, wurde Barnard zu einem Idol, zu einem Vorbild, das sofort von cleveren Managern vermarktet wurde. Barnard – das war die neue Zeit! Der erste gelungene Vorstoß in die phantastische Zukunft.
Dr. Soriano war selbst auf dem Flugplatz, als Achmed ibn Thaleb, der Großkaufmann aus Beirut, Mekkapilger und daher berechtigt, sich ›Hadschi‹ zu nennen, mit seinem Privatflugzeug landete. Auf zwei Leibwächter gestützt, verließ er langsam, Schritt um Schritt, die Maschine, mühsam Stufe um Stufe der kleinen Gangway nehmend.
Dr. Soriano erschrak. Was ihm da entgegenwankte, war ein menschliches Wrack. Ein schmaler Körper in einem viel zu weit gewordenen Anzug. Nur keuchend konnte er sich noch vorwärts bewegen. Wieso dieses kaputte Herz überhaupt noch schlug, war Soriano ein Rätsel. Den bekommt auch Dr. Volkmar nicht mehr hin, dachte er, als er Achmed ibn Thaleb so herzlich begrüßte, als sei er sein Bruder. Da nützen auch alle Millionen nichts mehr. Wenn man den ansieht, weiß man, daß er nicht einmal die Narkose überleben wird, geschweige denn den Eingriff. Aber weshalb daran denken? Thaleb hatte zwei Millionen Dollar für ein gesundes Herz geboten. Er sollte es bekommen, auch wenn er es nicht überlebte.
Ibn Thaleb bekam das beste Zimmer: Einen großen Raum, zu dem man erst durch eine Sterilschleuse und dann noch durch ein anderes steriles Zimmer gelangen konnte. Es war die totalste Isolierung, die im medizinischen Sinne möglich ist. Wer zu Thaleb wollte, später, nach der Operation, war wirklich keimfrei. Um alle Bakterien abzutöten, mußte jeder Besucher auch noch durch einen stählernen Bogengang gehen, in dem er von allen Seiten bestrahlt wurde.
»Das hat Barnard nicht!« sagte Soriano, als er die Berichte aus Kapstadt studiert hatte. »Ein gewöhnlicher OP, ohne technische Sensation! Für unsere Begriffe sogar primitiv eingerichtet. Im Vergleich zu diesem OP, lieber Enrico, arbeiten Sie hier bereits im 21. Jahrhundert!«
Achmed ibn Thaleb betrachtete Dr. Volkmar sehr genau, als er ihm zur ersten Untersuchung gegenüberstand. Man sprach französisch miteinander. Dr. Volkmar war, im Gegensatz zu Soriano, über Thalebs Zustand nicht entsetzt. Die Untersuchung war Routine: Röntgenaufnahmen, Laborwerte, genetische Tests, Eiweißbestimmungen, Blutanalysen, Funktionsprüfungen. Das dauerte drei Tage, die Soriano voller Ungeduld verbrachte.
»Was ist?« fragte er am dritten Tag. »Gibt es da überhaupt noch Hoffnung? Wie der aussieht!«
»Die Indikation für eine Herztransplantation ist gegeben«, sagte Dr. Volkmar. »Nur habe ich kein Spenderherz.«
»Wann wollen Sie operieren?« fragte Soriano ruhig.
»In vier Tagen. So lange brauche ich, um Thaleb auf den Eingriff vorzubereiten. Er ist sehr klapprig.«
»Und wie! Enrico, Sie müssen es schaffen, daß er wenigstens noch drei Tage nach der Operation lebt …«
»Verdammt, ich will, daß er ein
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