Das Haus der verlorenen Herzen
paar Jahre lebt!« sagte Volkmar laut. »Glauben Sie, ich würde sonst das Messer anrühren?! Was hat er Ihnen geboten?«
»Zwei Millionen Dollar!« antwortete Soriano ehrlich.
»Dafür können Sie beten, Don Eugenio. Welche Voraussetzungen der Herzspender haben muß, kann Ihnen Dr. Nardo sagen. Er hat die Checkliste. Ich glaube kaum, daß wir in vier Tagen das richtige Herz bekommen. Gesund und kräftig. So viele Unglücksfälle gibt's in Palermo nicht …«
Er sollte sich irren.
In den nächsten drei Tagen geschah Merkwürdiges auf Sizilien.
Im Hochland bei Mussomeli und Casteltermini, bei Leonforte und Sperlinga, aber auch an der Küste bei Pizzolato und Bonagia verschwanden ohne jeden Grund kräftige Bauernburschen und windgegerbte Küstenfischer. Keiner war über fünfundzwanzig Jahre alt, und keiner von ihnen hatte jemals den Wunsch geäußert, Sizilien zu verlassen und auszuwandern in ein Land, wo man mehr verdienen konnte. Zum Beispiel Deutschland.
Sie waren morgens zu ihrer Arbeit gegangen – die einen auf die Felder, die anderen mit dem nächtlichen Fang zum Fischmarkt. Keiner aber erreichte sein Ziel – sie alle schienen sich in Luft aufgelöst zu haben.
Da war Domenico Barnazzi, vierundzwanzig Jahre, kerngesund, ein Brocken von einem Mann, immer fröhlich, ein Mensch, der gern sang und liebte, was einige Mädchen aus Leonforte bestätigen konnten. Im Sommer, in der Reisezeit, fuhr er mit seinem alten Fiat oft an den Badestrand von Cefalo, nicht nur, um im Meer zu schwimmen, sondern wegen der Touristinnen, die beim Anblick seines Lockenkopfes und seines durchtrainierten Körpers runde Augen bekamen. Meistens waren es Deutsche, Schwedinnen oder Engländerinnen, mit denen er später auf einer Decke hinter Büschen und Dünenhügeln lag, manchmal auch in Hotelzimmern, Zelten oder Wohnwagen. Er war in dieser Beziehung unermüdlich, erfüllte stets, was sein Körper versprach, und wunderte sich nur über die Frauen, die wie ausgehungert schienen. Waren die deutschen Männer solche Schlafmützen?! Domenico genoß es jedenfalls, drei Monate lang, in der Hochsaison, bald jeden Tag eine ausländische Frau mit südlichem Temperament zu beglücken.
Ein Beweis, wie stark sein Herz war!
Aber alle Stärke nutzt nichts, wenn drei Männer mit sandgefüllten Strümpfen zuschlagen und einen unblutig, aber nachhaltig damit betäuben. Als Domenico Bernazzi wieder zu sich kam, lag er gefesselt im Kofferraum eines sehr schnell fahrenden Autos, mit einem dicken Pflaster über dem Mund. Ein paarmal zog er die Beine an und trat mit voller Wucht gegen den Kofferraum, aber auch das wurde unterbunden. Der Wagen bremste, der Kofferraumdeckel klappte auf, wieder krachte der sandgefüllte Strumpf auf den Schädel und schickte ihn in die Bewußtlosigkeit zurück.
Das geschah noch viermal. Als Domenico zum fünftenmal aufwachte, lag er in einem schönen, weißen Bett, das Zimmer war lindgrün gekachelt, über der Tür, die keine Klinke hatte, hing ein sehr schönes hölzernes Kruzifix, an der Decke lief ein Lichtband entlang und verbreitete helles, dennoch mildes, durch die Milchglasverkleidung gedämpftes Licht. Der Raum hatte keine Fenster, aber eine Klimaanlage sorgte für angenehme Temperatur.
Domenico stand auf, lief zur Tür und hieb mit den Fäusten dagegen. Er konnte sich nicht erklären, wo er sich befand. Fetzen der Erinnerung ergaben kein Bild: Er war auf dem Wege zum Maisfeld gewesen, als ihn die drei Männer niederschlugen. Dann hatte er in einem Auto gelegen und war noch einige Male betäubt worden. Und jetzt war er in einem Krankenhaus … aber wo? Wer hatte ihn hierher gebracht? Warum gab es keine Türklinken? Gibt es Krankenzimmer ohne Fenster? Er hatte bisher nur einmal im Krankenhaus gelegen, in dem kleinen Spital von Enna, als er sich den Fuß angebrochen hatte. Da lag er mit neun Mann auf einem Zimmer, strenge Nonnen pflegten ihn, und abends mußten sie alle vor dem Schlafen die Finger in das Weihwasserbecken neben der Tür tauchen und sich bekreuzigen.
Aber hier war niemand. Hier war vollkommene Stille. Eine fast erdrückende Sauberkeit. Einsamkeit, die sich wie ein pressender Ring um sein Herz legte.
Er hämmerte wieder gegen die Tür, trat gegen das dicke, mit Kunststoff belegte Holz, schrie und schrie und begann dann, als sich niemand meldete, das Bett zu demolieren und mit dem eisernen Fußteil gegen die Wand zu rennen. Die Kacheln platzten ab, er zerhieb alles, was zerstörbar war – aber keiner
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