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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ersticken wollte.
    »Sehen Sie«, höhnte Landini, »ich wußte, daß Sie Geschmack daran finden würden.«
    Er setzte die Flasche erst wieder ab, als sie fast leer war, und auch da ließ er Jupiter nur einen Augenblick Zeit zum Luftholen. Dann flößte er ihm den Rest ein.
    Jupiter versuchte, Worte zu artikulieren, aber heraus kamen nur wirre Silben. In seinem Hals schwoll etwas an. Er hatte das drängende Gefühl, sich übergeben zu müssen, aber zugleich entwickelte sein Körper ein erschreckendes Eigenleben. Eine heftige Schüttelfrostattacke überkam ihn, ließ ihn zittern wie einen Erfrierenden.
    Er hörte, wie der Chauffeur an seinem Ohr leise lachte, während er den Druck auf Jupiters Oberkörper erhöhte.
    Landini griff nach der zweiten Flasche. »Sie sollten auch diesem edlen Tropfen eine Chance geben.« Er tat, als studiere er das Etikett.
    »Ganz vortrefflich, glauben Sie mir. Der Heilige Vater nimmt an Feiertagen gern einen Schluck davon.«
    Erneut rammte er Jupiter einen Flaschenhals zwischen die Zähne.
    Diesmal aber gelang es Jupiter, seinen Kopf freizuschütteln und Landini einen ganzen Schwall Rotwein ins Gesicht zu spucken. Der Albino wurde stocksteif und starrte Jupiter ausdruckslos an. Rote Rinnsale liefen über seine Stirn und Wangen. Jupiter brach in hysterisches Gelächter aus, als ein Bild aus dem Dämmer seines benebelten Verstands emporstieg: Landini als Marmorstatue vor den Toren des Senats, als das Blut Cäsars über seine weißen Züge spritzte.
    »Halt ihn fest!« fauchte Landini den Chauffeur an, und noch im selben Augenblick schlossen sich die Arme des Mannes so fest um Jupiter, daß er kaum mehr atmen konnte.
    Nur noch trinken.
    Schlucken.
    Sterben?
    Der Rest des Weins floß seine Kehle hinab. Landini riß die Flasche von seinem Mund. Das Gesicht des Albinos war jetzt nur noch ein ferner, gespenstischer Schemen.
    Der Alkohol tat seine Wirkung, gewiß, aber das war nicht das Schlimmste. Schon jetzt rebellierte sein geschwächter Körper auf die anderthalb Liter Gift, die sie ihm eingeflößt hatten. Eigentlich war es zu früh, um schon eine Hautreaktion zu spüren. Doch ganz gleich, ob es an der Menge lag oder nur an Jupiters schwindendem Bewußtsein … er spürte, wie das Jucken begann, die Rötungen, der schuppige Ausschlag. Er fühlte, wie es sich von seinem Bauch aus in alle Richtungen ausbreitete; wenn er an sich hinabsah, hatte er das Gefühl, auf den Körper eines Brandopfers zu schauen. Alles um ihn herum schwankte, drehte sich, rotierte in einem schneller werdenden Mahlstrom aus Rot und Schwarz und dem Weiß von Landinis verzerrter Fratze.
    Er war jetzt fast froh, daß der Chauffeur ihn festhielt. Allein hätte er sich nicht eine Sekunde auf den Beinen halten können, dazu war oben viel zu sehr unten, und unten irgendwie oben.
    Wie durch einen Dunst aus mikroskopischen Kristallen, blitzend und spiegelnd vor seinen Augen, sah er, daß Landini nach der dritten Flasche griff.
    Jupiters Kehle füllte sich mit Säure, so blitzartig, daß er gerade noch rechtzeitig den Mund aufbekam, um nicht daran zu ersticken. Purer Rotwein schoß über seine Lippen, besudelte Landini, den Tisch, ihn selbst. Er würgte und spuckte, und plötzlich schwand sogar der Druck um seinen Oberkörper, als der Chauffeur ihn losließ.
    Landini stieß eine Kette heftiger Flüche aus, aber Jupiter hörte sie nur wie durch Watte. Die dritte Flasche wurde wutentbrannt zu Boden geschleudert und zerplatzte mit einem schrillen Klirren, das langgezogen in Jupiters Ohren nachhallte.
    Seine Knie gaben nach, er sackte zusammen. Nur um Haaresbreite verfehlte sein Kinn die Tischkante, dann schlug er rückwärts auf dem Boden auf. Sein Hinterkopf landete auf dem Schuh des Chauffeurs - (derselbe Schuh, der vor Piranesis Kirche eine Ameisenstraße zermalmt hatte) - und prallte dann auf harten Stein, als der Fuß unter seinem Schädel weggezogen wurde.
    Wieder sagte Landini etwas, diesmal zu dem Chauffeur, und durch den flirrenden Kristalldunst sah Jupiter, daß die beiden Richtung Tür gingen und sich dann einfach auflösten wie in einem Säureregen.
    Die Tür fiel ins Schloß. Er war allein.
    Allein in einer Pfütze aus erbrochenem Wein, vor Schwindel nahezu unfähig, sich zu bewegen. Er konnte sich nur zur Seite wälzen, als eine weitere Weinfontäne aus seinem Rachen schoß, seine Kleidung tränkte, seine Haut bedeckte.
    SEINE HAUT…
    Das Jucken explodierte auf seiner Brust und strahlte von dort aus in alle

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