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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Richtungen, fraß sich an seinen Gliedern entlang, den Hals hinauf, über die Wangen, die Stirn, die Kopfhaut.
    Jupiter schrie wie ein Wahnsinniger. Dann bohrten sich seine Fingernägel in weiche Haut und rissen sie in Fetzen.
    Der helle Morgenhimmel spiegelte sich in den Schaufenstern des Ladens. Coralina sah, daß etwas anders war als sonst. Da waren Bücher in der Auslage, die nicht dorthin gehörten, achtlos hingeschleudert, kreuz und quer, als sei im hinteren Teil des Geschäfts eine Bombe explodiert.
    Das Glas der Ladentür war zerbrochen; sie stand einen Spalt weit offen.
    Ein Frösteln schüttelte Coralina, als sie vorsichtig die Hand nach der Tür ausstreckte. Sie gab ihr einen Stoß und sah zu, wie sie nach innen schwenkte. Der Rahmen fuhr knirschend über Glassplitter hinweg, ehe er gegen ein größeres Stück stieß und sich verkantete. Der entstandene Spalt war gerade breit genug, daß Coralina hindurchschlüpfen konnte.
    Sie hatte in den vergangenen Stunden zu viel durchgemacht, als daß der Anblick des verwüsteten Ladens sie jetzt noch hätte erschrecken können. Sie war wütend und traurig, aber sie hatte keine Angst. Irgendwer hatte einen Großteil der Bücher von den Brettern gezerrt, auch einige Regale waren umgekippt. Lose Blätter lagen umher, und jemand hatte alle Schubladen am Kassentisch aufgebrochen. Die Kasse war geöffnet und geleert worden, vermutlich, um der Polizei einen gewöhnlichen Einbruch vorzugaukeln.
    Gegen ihr besseres Wissen rief Coralina mehrfach nach der Shuvani, stieg über die Bücher am Boden hinweg zur Treppe und stürmte die Stufen hinauf ins erste Stockwerk. Hier sah es ähnlich aus wie unten, alles war durchsucht worden, sogar das Geheimfach unter der Truhe hatte man entdeckt.
    Weiter nach oben, in die Küche, ins Wohn-und ins Schlafzimmer. Auch hier hatte man herumgestöbert, wenn auch weniger gründlich. Das Durcheinander nahm sich im Vergleich zum Chaos unten im Laden eher harmlos aus.
    Die Shuvani war nirgends zu finden.
    Coralina lief wieder nach unten. Als sie das Erdgeschoß erreichte, fiel ihr etwas auf, das sie zuvor nicht wahrgenommen hatte. Geräusche drangen aus dem Keller herauf, leises Rauschen und Plätschern; es klang wie eine Sparversion des Reservoirs unter dem Vatikan.
    Vor der Kellertreppe blieb sie wie angewurzelt stehen.
    Der Keller stand unter Wasser.
    Hüfthoch, schätzte sie. Mindestens. Auf der dunklen Oberfläche schwammen ihr Blätter und Dokumente entgegen, die Rißzeichnungen ihrer Restaurationsarbeiten, Briefe, Faxe, Unterlagen aus der Zeit ihres Studiums.
    Das Wasser plätscherte aus den zerstörten Rohrleitungen, die unter der Kellerdecke entlang führten und die sie damals, nach ihrer Rückkehr aus Florenz, dunkelrot angestrichen hatte.
    Rückwärts ließ sie sich auf eine Treppenstufe fallen, vergrub das Gesicht in den Händen und gestatte sich zum ersten Mal seit ihrer Flucht aus dem Vatikan zu weinen. Ungehemmt ließ sie ihre Tränen fließen und schluchzte haltlos. Sie weinte um Jupiter, um die Shuvani, um ihr eigenes Schicksal. Es gab keine Hoffnung, ganz gleich, was sie unternehmen würde, um die Dinge wieder ins Lot zu rücken. Keine Chance, keine Rettung.
    Nach ein paar Minuten erholte sie sich ein wenig, die Tränen versiegten, und sie stellte fest, daß sie wieder klarer denken konnte. Die Zerstörung der Wasserleitungen war mehr als eine Gehässigkeit. Die Adepten hatten geglaubt, irgend etwas hier unten zerstören zu müssen. Sie trauten Coralina nicht. Sie wußten nicht, wieviel sie herausgefunden hatte und was davon sie vielleicht auf Papier oder im PC festgehalten hatte.
    Beim Gedanken an den Computer fiel ihr Fabios CD-Rom ein. Er hatte sie durch das Fenster geworfen, das ihr als Briefkasten diente. Von dort aus landete alles direkt auf ihrem Schreibtisch, der jetzt unter Wasser stand. Trotzdem mußte sie versuchen, die Disk zu retten, wenn auch nur, weil es das einzige war, das ihr im Augenblick zu tun einfiel.
    Das Wasser, das ihr bis zu den Knien stand, war eiskalt. Sie zog Janus’ Taschenlampe hervor und schaltete sie ein. Der Keller war dunkel bis auf einen fahlen Schimmer, der durch die Fenster hereinfiel. Sie lagen unterhalb des Straßenniveaus, und die Morgensonne stand noch nicht hoch genug, um die Fensterschächte mit Licht zu füllen. Graues Dämmerlicht lag über den hinteren Räumen, die vorderen waren völlig dunkel.
    Sie war sicher, daß sich niemand mehr hier unten befand … warum hätte irgendwer in

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