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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Bassin. Als Jupiter sich umschaute, entdeckte er an der Wand hinter sich zahllose Metallrohre, manche vom Durchmesser eines Abwasserkanals, andere nicht dicker als sein Unterarm. Sie kamen von unten aus dem Wasser und verschwanden ein ganzes Stück über ihnen in der Decke.
    Der Lärm des künstlichen Wasserfalls auf der anderen Seite war ohrenbetäubend.
    »Wir müssen eine Weile hierbleiben«, brüllte Janus, um das Getöse zu übertönen. »Eine Stunde, vielleicht zwei. Danach kann ich versuchen, Sie wieder nach oben zu bringen.«
    Coralina runzelte sorgenvoll die Stirn. Jupiter sah ihr an, daß sie an die Shuvani dachte. »Wir müssen nach Hause!
    Wenn Estacado so gefährlich ist, wie Sie sagen, muß ich meine Großmutter warnen.«
    »Sie werden bis auf weiteres im Vatikan bleiben«, erklärte Janus bestimmt. »Zumindest, wenn Sie am Leben bleiben wollen.«
    »Warum nimmt eigentlich jeder an, daß wir in der Höhle des Löwen am sichersten sind?« fragte Jupiter unwillig.
    »Weil der Löwe selten in seinem eigenen Lager nach Beute sucht.«
    »Aber die wissen doch, daß wir hier sind«, widersprach Jupiter. »Estacado hat uns selbst hergebracht.«
    »Er wird annehmen, daß es mir gelungen ist, Sie aus dem Vatikan zu schleusen. Er weiß, daß wir einen Vorsprung haben, und er wird alle Tore doppelt bewachen lassen.« Janus lächelte kühl. »Schauen Sie mich nicht so an, er hat die Macht dazu. Aber er wird zähneknirschend vermuten, daß Sie es vorher noch hinaus in die Stadt geschafft haben. Ich kenne ihn. Ich weiß, wie er denkt.« Er wandte sich an Coralina. »Und was Ihre Großmutter angeht … Ihr wird nichts zustoßen. Estacado hat es auf die Scherbe und die Kupferplatte abgesehen, nicht auf das Leben einer alten Frau. Solange beides hier bei uns ist, ist sie sicher. Wahrscheinlich wird er das Haus überwachen lassen, vielleicht schickt er auch ein paar Leute hinein, um nach Ihnen zu suchen. Aber, wie gesagt, Estacado legt Wert auf Stil. Er mordet nicht blindwütig, und eines muß man ihm lassen … er ist nicht rachsüchtig. Dafür hat er sich viel zu gut unter Kontrolle.« Zuletzt wurde Janus immer leiser, weil es anstrengend war, gegen das Tosen des Wasserfalls anzubrüllen. »Lassen Sie uns später darüber reden, wenn wir aus diesem Lärm raus sind.«
    Coralina bedachte Jupiter mit einem flehenden Blick. Janus’ Ausführungen hatten ihre Sorgen um die Shuvani keineswegs zerstreut.
    Jupiter mußte sich eingestehen, daß er um die alte Frau am wenigsten Angst hatte. Im Augenblick dachte er vor allem an Coralina und sich selbst. Es interessierte ihn brennend, wer Janus war und welches Ziel er verfolgte. Immerhin besaß er bereits die Kupferplatte, und die Scherbe hätte er ihnen in dem dunklen Bibliothekssaal vermutlich ebenfalls abluchsen können. Trotzdem hatte er sie gerettet … zumindest behauptete er das. Denn welche Beweise hatten sie schon für das, was er sagte? Nur ein paar Lichter am fernen Ende des Korridors.
    Schlagartig erinnerte sich Jupiter an den Hufschlag hinter den Bücherregalen. Er konnte ihn nicht wirklich gehört haben, nicht zwei Stockwerke unter der Erde! Aber was war es dann gewesen? Wirklich nur ein Produkt seiner überreizten Phantasie?
    Janus setzte sich auf den Sims und ließ die Beine über dem Abgrund baumeln wie ein Kind, das in seinem Baumhaus Indianer spielt. »Setzen Sie sich«, rief er ihnen zu, doch beide blieben stehen.
    Coralina lehnte sich gegen die Wand, unweit eines breiten Rohrs, durch das lautstark Wasser nach oben gepumpt wurde. »Was ist das hier überhaupt?«
    »Die Anlage ist Teil eines antiken Aquädukts, das man vor hundert Jahren modernisiert hat«, brüllte Janus. »Das Wasser stammt aus dem Braccianer See, vierzig Kilometer von hier. Damit werden Dutzende von Brunnen im Vatikan, aber auch draußen in der Stadt gespeist.«
    Jupiter blickte zu der breiten Öffnung, aus der sich der Wasserfall in die Tiefe ergoß. Er sah, daß der Tunnel dahinter nicht bis oben hin mit Wasser gefüllt war; auf der linken Seite befand sich sogar ein schmaler Fußweg, etwa einen Meter über der Wasseroberfläche, der dem Verlauf des Kanals ins Dunkel folgte. Er fragte sich, ob man über diesen Sims wohl die gesamten vierzig Kilometer bis zum Braccianer See zurücklegen konnte. Doch selbst wenn … es gab keine Möglichkeit, von ihrem Platz aus zur Einmündung des Aquädukts zu gelangen. Dazwischen lagen der Abgrund und, weiter unten, das schwarze Wasserreservoir.
    Janus

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