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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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versuchte,
die Situation zu beruhigen. »Mistress Philippa, erzählt
mir von Eurem Vater.«
    Das Mädchen
verschränkte nervös die Finger und schaute zu
Boden.
    »Er war immer
Soldat«, begann sie. »Er diente in Preußen gegen
die Letten, auf dem Kaspischen Meer, und dann reiste er nach
Outremer, Ägypten, Palästina und Zypern.« Sie
blinzelte und nickte zu den Hospitalitern hinüber. »Sie
können mehr darüber berichten als ich.« Sie holte
tief Luft. »Vor fünfzehn Jahren war er in Ägypten
bei der Armee des Kalifen, und danach kam er als reicher Mann und
ruhmbedeckt nach Hause. Ich war drei Jahre alt. Meine Mutter starb
ein Jahr später, und wir kamen zum Haushalt John von Gaunts.
Mein Vater wurde einer seiner wichtigsten Gefolgsleute. Vor vier
Jahren wurde er zum Konstabler des Tower ernannt.«
    Athelstan
lächelte verständig. Er kannte Menschen wie Sir Ralph:
ein Berufssoldat, ein Söldner, der für den Glauben auf
einen Kreuzzug gehen würde, aber nichts dagegen hatte, in den
Armeen der Ungläubigen zu dienen. Athelstan sah sich in der
Gruppe um. Alle schienen ruhig und gelassen, aber er spürte,
daß etwas nicht stimmte. Hinter dem Übereifer, mit dem
sie seine Fragen beantworteten, verbargen sie Abneigungen und
Rivalitäten.
    »Ich nehme
an«, bemerkte er trocken, »Ihr habt Sir Ralphs Papiere
bereits durchgesehen?«
    Er sah Sir Fulke an,
und der nickte.
    »Selbstverständlich
habe ich die Dokumente meines Bruders geprüft, seine
Haushaltsabrechnungen, Memoranden und Briefe. Es war nichts
Ungewöhnliches dabei. Schließlich« - er sah sich
im Raum um, als erwarte er Widerspruch - »bin ich Sir Ralphs
Testamentsvollstrecker.«
    »Natürlich,
natürlich«, meinte Cranston beschwichtigend. Athelstan
stöhnte leise auf. Ja, dachte er, und wenn irgend etwas
Kompromittierendes dabei war, dann ist es jetzt weg. Er schaute den
jungen Mann an Philippas Seite an.
    »Wie lange, Sir,
kennt Ihr Eure Verlobte schon?«
    Geoffreys vom Wein
gerötetes Gesicht erstrahlte, und er umfaßte ihre Hand
noch fester. »Zwei Jahre.«
    Athelstan entging das
verschwörerische Lächeln nicht, das die beiden Verliebten
wechselten. Cranston glotzte das Mädchen lüstern an und
dachte, wie wenig die beiden zueinander paßten. Geoffrey war
außergewöhnlich gutaussehend und vermutlich ziemlich
reich, Philippa dagegen geradezu reizlos. Überdies war Sir
Ralph Soldat gewesen, und Geoffrey schien auf den ersten Blick
nicht der Mann zu sein, den eine solche Familie willkommen
heißen würde. Dann mußte Cranston an Maude
denken und an
die Leidenschaft, mit der er sie umworben hatte. Die Liebe ging
seltsame Wege, wie Athelstan immer wieder sagte, und
Gegensätze zogen sich oft an.
    »Sagt mir,
Geoffrey, wieso seid Ihr in den Tower gezogen?« Der junge
Mann rülpste und blinzelte, als sei er kurz davor
einzuschlafen. »Nun«, murmelte er, »der
große Frost hat allen Handel in der Stadt zum Stillstand
gebracht. Sir Ralph wollte mich in der Weihnachtszeit hier haben -
um so mehr, seit er so verstört und aufgebracht
war.«
    »Kanntet Ihr den
Grund für seine Furcht?«
    »Nein«,
lallte Geoffrey. »Woher?«
    »Mochtet Ihr Sir
Ralph?«
    »Ich habe ihn
geliebt wie ein Sohn den Vater.«
    Cranston wandte seine
Aufmerksamkeit Sir Fulke zu, der jetzt unverhohlen unruhig
wurde.
    »Sir Fulke, Ihr
seid Sir Ralphs Testamentsvollstrecker?«
    »Jawohl. Und
bevor Ihr fragt: Ich bin auch einer der Erben, sofern das Testament
vom Nachlaßgericht für Rechtens befunden
wird.«
    »Was sieht das
Testament vor?«
    »Nun, Sir Ralph
hatte Grundbesitz neben dem Kartäuserkloster in St. Giles.
Dieser und alles Geld, das sich auf der Bank der Lombards in
Comhill befindet, geht an Philippa.«
    »Und
Ihr?«
    »Ich bekomme die
Wiesen und Weiden von Holywell in der Nähe von
Oxford.«
    »Ein reiches
Gut?«
    »Ja, Sir John,
ein reiches Gut, aber nicht reich genug, um dafür einen Mord
zu begehen.«
    »Das habe ich
nicht gesagt.«
    »Aber
angedeutet.«
    »Sir
Ralph«, unterbrach Athelstan heftig, »war wohl ein
reicher Mann?«
    »Er hat seinen
Reichtum auf seinen Reisen gesammelt«, erwiderte Sir Fulke
bissig. »Und er ist mit seinen Finanzen vorsichtig
umgegangen.«
    Athelstan bemerkte das
säuerliche Lächeln des Kaplans. Sir Ralph war sicher ein
Geizkragen, dachte er. Er warf einen Seitenblick auf Cranston und
stöhnte leise. Der brave Coroner machte eines seiner kurzen
Nickerchen; sein fetter Wanst hing schlaff herab, und der Mund
stand halb offen. O Gott, betete

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