Das Haus des roten Schlächters
großen Glasfenster
fingen das blendend weiße Licht des Schnees ein und tauchten
Chorraum und Kirchenschiff in warme, goldene Glut. An jeder
Säule standen Kohlebecken mit Kräutern, und die Luft war
schwer von der stickigen Süße des Sommers. Athelstan
wurde es warm, behaglich und friedlich ums Herz, obwohl er die
Kirche nicht ohne Neid betrachtete. Hätte er doch solchen
Schmuck auch in St. Erconwald! Er sah den großen Silberstern
über der Kanzel und ging entzückt nach vorn in den
stillen Chorraum, bestaunte die Marmorstufen und den prachtvollen,
aus reinweißem Alabaster gehauenen Altar.
»Welch stille
Heiterkeit«, murmelte er, als er zu den anderen
zurückkehrte.
Colebrooke
lächelte befangen. »Als wir die Halle verließen,
habe ich der Dienerschaft befohlen, hier alles
vorzubereiten«, erklärte er und sah sich um.
»Durch irgendeinen Trick oder Kunstgriff der Architekten, sei
es nun die Dicke des Mauerwerks oder seine Lage im Tower, ist es
hier in der Kapelle immer warm.«
»Ich brauche
eine Erfrischung«, verkündete Cranston feierlich.
»Ich habe zahllose Treppen erklommen, einen grausigen
Leichnam beschaut, bin über glattes Eis balanciert, und jetzt
habe ich genug. Master Colebrooke, Ihr scheint mir ein
verständiger Mann zu sein. Ihr werdet die anderen hier
versammeln, und da Vorweihnachtszeit ist, werdet Ihr
einen Krug Wein für mich und meinen Schreiber
mitbringen.«
Colebrooke nickte und
eilte davon, nicht ohne zuvor mit Athelstans Hilfe die Stühle
in weitem Halbkreis aufzustellen. Als er weg war, holte Athelstan
einen blankpolierten Tisch aus dem Chorraum und legte Feder,
Tintenhorn und Pergament bereit. Sorgsam wärmte er die Tinte
über dem Kohlebecken, bis sie glatt und gleichmäßig
aus der Feder floß. Cranston hockte auf seinem Stuhl, schlug
den Mantel zurück und genoß die duftende Wärme.
Athelstan betrachtete ihn aufmerksam.
»Sir
John«, sagte er leise. »Seht Euch vor mit dem Wein. Ihr
habt schon genug getrunken, und Ihr seid
müde.«
»Hau ab,
Athelstan!« lallte Cranston erbost. »Ich trinke, was
mir paßt, verdammt!«
Athelstan schloß
die Augen und betete stumm um Hilfe. Bis jetzt hatte Sir John sich
benommen, aber der Wein in seinem Wanst konnte den Teufel in seinem
Herzen wecken, und nur der Herrgott wußte, welches Unheil
dann drohte.
Colebrooke kam
schnellen Schritts zurück. Hinter ihm, Athelstan sah es mit
Verzweiflung, schleppte ein Diener einen großen Krug Rotwein
und zwei bauchige Becher. Cranston packte den Krug wie ein
Verdurstender und stürzte zwei Becher Wein hinunter,
während Familie und Gäste des Konstablers die Kapelle
betraten und auf den Stühlen Platz nahmen. Endlich
schloß Cranston die Augen, rülpste volltönend und
satt und war zufrieden. Seine zögernden Gäste
betrachteten ungläubig das rote Gesicht des königlichen
Coroners, der sich mit hängenden Armen und Beinen vor ihnen
auf dem Stuhl räkelte. Athelstan war hin- und hergerissen
zwischen Zorn und Bewunderung. Cranston machte sich wegen irgend
etwas Sorgen, und nur der Himmel wußte, weshalb. Aber die
Fähigkeit des Coroners, einen Weinberg leerzusaufen und
trotzdem seinen Scharfsinn nicht zu verlieren, war immer wieder
faszinierend.
Der Dominikaner
ließ den Blick rasch über die Versammlung wandern. Die
beiden Hospitaliter schauten unbeteiligt und verächtlich
drein. Philippa klammerte sich noch fester an ihren beschwipsten
Verlobten, der Cranston wohlwollend angrinste. Rastani, der Diener,
schien beklommen; anscheinend fürchtete er sich vor dem
großen Kreuz, das an einem der Balken über ihm hing, und
Athelstan fragte sich, wie echt die Bekehrung des Moslems zum
wahren Glauben war. Sir Fulke wirkte gelangweilt, als wünschte
er, von diesen ermüdenden Vorgängen verschont zu bleiben.
Der Kaplan konnte seine Verdrossenheit über die unvermittelte
Vorladung kaum verbergen.
»Ich danke Euch
sehr«, begann Athelstan sanft, »daß Ihr gekommen
seid. Mistress Philippa, bitte nehmt den Ausdruck unseres
Mitgefühls zu dem jähen und grausigen Verlust Eures
Vaters entgegen.« Athelstan spielte mit dem Stiel seiner
Gänsefeder. »Wir kennen jetzt die Einzelheiten seines
Todes.«
»Es war
Mord!« Philippa beugte sich vor, und ihr üppiger Busen
wogte unter dem dicken Taft ihres Kleides. »Mord, Bruder!
Mein Vater wurde ermordet!«
»Ja, ja, das
wurde er«, lallte Cranston. »Aber von wem, he? Warum?
Und wie?« Er richtete sich auf und tippte trunken an seine
feuerrote Nase. »Sorgt Euch
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