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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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mich mit Leuten getroffen,
Pater.«
    »Das weiß
ich, Pike.« Athelstan packte ihn am Arm. »Um Gottes
willen, Mann, sieh dich vor! Oder willst du am Ende an irgendeinem
Galgen baumeln, wo die Krähen dir die Augen
aushacken?«
    »Wir werden
herrschen wie der König«, lallte Pike. Er riß sich
los und machte ein paar Tanzschritte. »Als Adam
pflügt’ und Eva spann«, sang er, »wo war
denn da der Edelmann?« Er grinste Athelstan betrunken an.
»Aber dir wird nichts geschehen, Pater. Dir und deinem Kater
und deinen blöden Sternen!« Er lachte.
    »Du bist ein
Schatz! Du forderst keine Steuer! Wenn du bloß, verflucht
noch mal, manchmal lachen würdest.«
    »Ich werde,
verflucht noch mal, lachen, wenn du wieder nüchtern
bist«, zischte Athelstan. Und er schleifte den Grabenbauer zu
seiner Frau, die wütend in der Hütte in der Crooked Lane
wartete.
    Dankbar erreichte
Athelstan schließlich St. Erconwald, sah nach, ob alle
Türen verschlossen waren, und ging dann zu seinem Haus. Erst
als er auf seinem Strohbett lag und versuchte zu beten, statt an
Benedictas hübsches Gesicht zu denken, fiel ihm plötzlich
ein, was Vincentius gesagt hatte. Was hatte der gute Arzt im Tower
gesucht? Außerdem hatte Vincentius zugegeben, daß er in
dem Teil des Mittelmeerraumes ausgebildet worden war, wo auch Sir
Ralph und andere gewesen waren. Ob es da einen Zusammenhang gab?
Athelstan grübelte über dieses Problem nach und versank
bald in tiefen, traumlosen Schlaf.
    *
    Auch Cranston dachte
an die Ereignisse im Tower, war aber zu beunruhigt, um sich zu
konzentrieren. Einsam und verlassen saß der Coroner an seinem
Pult in der Kammer, seiner Kanzlei oder Schreibstube, wie er gern
sagte; es war ein Zimmer, das er liebte, im hinteren Teil des
Hauses gelegen, abseits der lärmenden Cheapside. Er schaute
sich um. Der Fußboden war mit kleinen, roten und weißen
rautenförmigen Fliesen ausgelegt und mit wollenen Teppichen
bedeckt. Die Fenster hatten Glasscheiben, und die Läden waren
gegen die schneidende Zugluft fest verrammelt. Kiefernholz knackte
und prasselte im kleinen Kamin, und Wärmpfannen standen auf
Gestellen zu beiden Seiten des großen Schreibpultes. Sir John
verbrachte gern seine Zeit hier, mit seiner großen Abhandlung
über die Verwaltung der Stadt. Aber heute abend konnte er sich
nicht entspannen; zu sehr war er abgelenkt von der unbehaglichen
Atmosphäre in seinem Haus. Oh, Maude hatte er ein
bißchen fröhlicher vorgefunden; sie hatten die
üblichen Nettigkeiten ausgetauscht, aber Cranston wurde das
Gefühl nicht los, daß sie ihm etwas
verheimlichte.
    Als das
Hausmädchen unten eine Glocke läutete, um zum Essen zu
rufen, stemmte er ächzend seine Körpermassen hoch und
watschelte betrübt hinunter in die von Düften
erfüllte Küche. Leif, der Bettler, kauerte am Herd und
stopfte sich Hirschfleisch mit dicker Tunke in den Mund. Er grinste
Sir John zu und starrte ihm überrascht nach, als dieser
bedrückt vorbeiging. Normalerweise begrüßte
Cranston ihn mit einem Schwall gutmütiger
Beschimpfungen.   
    Achselzuckend wandte
der Bettler sich wieder seinem Essen zu. Er war guter Dinge. Lady
Maude hatte ihm ein paar Pennies gegeben, und morgen würde er
seinen Freund in der Grabbe Street besuchen. Sie würden in
einer Schenke essen und dann nach Moorfields gehen, wo Mastiffs mit
blutigen Mäulern auf schäumende Bären, Keiler mit
mächtigen Hauern und fette Stiere gehetzt wurden.
    In dem mit Leinen
ausgeschlagenen Speisezimmer war der Tisch besonders liebevoll
gedeckt; auf weißem Batist standen Kerzenleuchter aus
ziseliertem Gold. Cranston warf seiner Frau einen
argwöhnischen Blick zu. Sie sah glücklich aus. Ihre
Wangen waren gerötet, und ihre Augen blitzten vor
Vergnügen. Sir John wurde noch trauriger. Hatte Lady Maude
einen anderen gefunden? Einen jungen Liebhaber, mannhafter und
wollüstiger als er? Oh, er wußte, daß so etwas oft
vorkam. Die gelangweilten Ehefrauen alter Männer und
Bürger fanden oft neues Glück in den Armen eines
Hofgecken oder adeligen
Stutzers.        
    Sir John ließ
sich in seinen großen Stuhl am Kopf der Tafel sinken und
dachte düster an die Vergangenheit. Ja, seine Heirat war
damals arrangiert worden. Maude Philpott, die Tochter eines
Klingenschmieds, war feierlich mit dem jungen Cranston verlobt
worden. Jung? Fünfzehn Jahre älter als sie war er
gewesen, als sie einander vor der Kirchentür begegneten, aber
er war schlanker gewesen, geschmeidig wie ein Windhund, ein

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