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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Cranston. Plötzlich
drehte er sich um. »Da ist jemand.« Er zeigte auf zwei
dunkle Gestalten neben dem Leichenhaus am anderen Ende des
Friedhofes. »Siehst du, dort!« Er stürmte
über die verschneite Wiese wie ein angreifender Stier, und
Athelstan folgte ihm eilig.
    »Halt!«
brüllte Sir John. »Im Namen des Königs -
halt!«
    Die beiden in
Mäntel gehüllten Gestalten drehten sich um und kamen
ihnen langsam entgegen. Das Klappern von Stöcken und das leise
Klingen einer Glocke ließ Cranston schnell
zurückweichen.
    »Aussätzige!«
flüsterte er, und er packte Athelstans Fackel und hielt sie
hoch. »In drei Teufels Namen!« hauchte er und starrte
mitleidig auf die Gesichter unter den weißen Kapuzen.
»Du läßt sie hier wohnen?«
    Athelstan nickte.
»Tagsüber. Nachts ist es leichter für sie,
unbehelligt zu bleiben.«
    »Haben sie etwas
gesehen?«
    Athelstan
schüttelte den Kopf. »Sie sind stumm, aber ich glaube,
sie würden sich sowieso nicht einmischen. Man muß schon
ein tapferer Mann sein, Sir John, und ein gesunder sowieso, wenn
man sich Grabräubem entgegenstellen will.«
    »Du bist sicher,
daß sie Lepra haben?« fragte Cranston leise. Athelstan
grinste in die Dunkelheit. »Sie haben Briefe von den Bischöfen. Seht
Euch ihre Handgelenke und die Hände an. Allerdings, wenn Ihr
sie untersuchen wollt…?«
    Cranston fluchte und
warf einer der Kreaturen eine Münze zu. Dann stapfte er zum
Haus zurück und röhrte, er habe nun genug gesehen.
Ranulf, der Rattenfänger, war offenbar verschwunden, und auch
alle anderen Gemeindekinder hatten sich verdrückt, als der
Coroner aufgekreuzt war.
    »Bleibt Ihr noch
auf eine Schale Suppe, Sir John? Ich habe auch guten
Rotwein.«
    Cranston untersuchte
ächzend und prustend den Sattelgurt seines Pferdes. »Das
würde ich gern, Bruder«, antwortete er über die
Schulter, »aber ich muß nach Hause.« Er wollte
nicht, daß Athelstan seinen Sorgen um Lady Maude auf den
Grund ging. »Ich muß nachdenken über das, was wir
im Tower gesehen haben.« Er deutete auf den Kirchhof.
»Mal sehen, wie ich dir dort helfen kann.« Er schwang
sich aufs Pferd und trappelte in die Dunkelheit davon.
    Athelstan seufzte und
ging die Kirche aufschließen. Drinnen war es kalt, aber der
Ordensbruder registrierte erfreut, daß der muffige Geruch
verflogen war. Genüßlich roch er den Duft der
grünen Zweige, die so liebevoll im Kirchenschiff und auf den
Stufen zum Chorraum verteilt worden waren. Die St.-Johns-Kapelle im
Tower fiel ihm ein, und er überlegte, wieviel Lügen ihm
dort wohl erzählt worden waren. Athelstan war sicher,
daß der Mörder im Tower lebte, und ebenso überzeugt
davon, daß eine böse Tat aus der Vergangenheit Sir Ralph
schließlich doch noch eingeholt hatte.
    Er nahm etwas Zunder
aus seinem Beutel, zündete zwei Fackeln im Kirchenschiff an
und ging in die Sakristei, um sein zerfleddertes Gebetbuch zu
holen. Dann kniete er nieder und begann seine Gebete. Als er bei
der Psalmzeile »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich
verlassen?« ankam, hielt er inne, ließ sich auf die
Fersen sinken und starrte in das Flackerlicht einer
Kerze.
    Hatte Gott ihn
verlassen? Warum geschahen solche Dinge wie die Schändung des
Friedhofes, der Mord an Sir Ralph oder Cranstons Schmerz? Oh,
Athelstan wußte um das Böse, aber manchmal, vor allem,
wenn er so in die Dunkelheit starrte, fragte er sich doch, ob ihm
jemand zuhörte. Was, wenn nicht? Wenn Christus nicht von den
Toten auferstanden und wenn die Religion nichts als Hokuspokus
war?
    Schmerzerfüllt
wich Athelstan vor dem Abgrund des Zweifels und der
Niedergeschlagenheit zurück. Er beendete seine Gebete, schlug
ein Kreuz und hockte sich mit dem Rücken ans Chorgitter. Er
atmete tief durch und versuchte, Geist und Seele zu beruhigen,
damit er sich auf die jüngsten Ereignisse im Tower
konzentrieren konnte.
    »Was ist«,
fragte er in die Dunkelheit, »wenn Sir Ralph von geheimen
Bauemführern ermordet worden war? Und wenn der Aufstand
kommt… ?«
    Er döste etwa
eine Stunde; dann schob sich ein warmes, pelziges Etwas unter seine
Hand. »Guten Abend, Bonaventura«, sagte er. »Ein
kalter Tag für einen Gentleman mit Sinn für
Muße.«
    Er streichelte den
Kater zärtlich und kraulte ihn hinter den Ohren; Bonaventura
schnurrte vor Wohlbehagen. »Hast du alle deine Damen in der
Nachbarschaft besucht?« Athelstan kannte Bonaventuras
sexuelle Talente. Manchmal brachte der Kater seine
»Damen« sogar mit auf die Kirchentreppe, wo sie

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