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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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immer - Bartholomew. Er
war hinuntergesprungen, hatte einen riesigen Mamelucken
angegriffen, anmutig wie ein Tänzer, und sein Schwert war zur
silbernen Schlange geworden. Eine Finte zum Unterleib, dann
aufwärts und im Halbkreis, genau zwischen Helm und Halsberge,
hatte er den Feind aufgeschlitzt. Ralph war ihm gefolgt. Damals war
er ein ehrenhafter Ritter gewesen.
    Der schwere Riegel am
Tor war gehoben worden, und die Männer des Kalifen hatten sich
in die Stadt ergossen. Was für ein Blutbad! Erbarmen wurde
weder erfleht noch gewährt. Die engen, heißen
Straßen hallten wider vom silbernen Schmettern der Trompeten
und den Schreien sterbender Männer und Frauen. Die Ritter
hatten an diesem Massaker nicht teilgenommen; sie hatten ihre
Aufgabe erfüllt und hielten jetzt nach entsprechender
Belohnung Ausschau. Schließlich gelangten sie auf einen
großen Platz mit einem weißen
Marmorspringbrunnen.
    In der Nähe stand
das verlassene Haus eines Bankiers. Oh, welche Schätze sie
dort gefunden hatten! Adam war knietief durch silberne Dukaten und
juwelenbesetzte Kelche voller Perlen gewatet.
    Mowbray
schüttelte die Erinnerungen jäh ab. Er glaubte ein
Geräusch gehört zu haben, dort hinten am Ende der
Brüstung, wo die Treppe begann. Nein, dachte er dann, es war
nur der Wind. Er kehrte zu seinen Erinnerungen zurück.
Merkwürdig, daß Adam dieses Jahr zu Weihnachten nicht
gekommen war. Vielleicht hatte er zuviel Angst gehabt. Oder hatten
der tote Sir Ralph und der jetzt so reiche Bürger Adam etwas
gewußt, was er nicht wußte? Was war vor drei Jahren
passiert, daß der Konstabler solche Angst bekommen
hatte?
    »Wir alle
fürchten uns«, flüsterte Mowbray. Diese Angst hatte
sie alle verändert. Das tut das Böse mit dir, dachte er:
Es zerfrißt den Willen, läßt die Seele verrotten
und erfüllt die Kammern und Gänge des Verstandes mit
seinem üblen Geruch. Und was damals geschehen war, vor so
vielen Jahren in Outremer, war böse! Bartholomew war ihr
Anführer gewesen. Die Hälfte des Schatzes hatte ihm
gehört, und er hatte ihnen vertraut - ein schrecklicher
Fehler. Betrug! Verrat! Die Worte kreischten wie gepeinigte Geister
durch die düsteren Tiefen in Mowbrays Seele. Ralph hatte es
geplant, aber sie alle hatten sich beteiligt an der bösen Tat.
Mowbray stampfte mit den Füßen, um die Kälte zu
vertreiben. Oh, er hatte seine Sünden gebeichtet, war
barfuß zum Schrein des heiligen Jakob zu Compostela
gepilgert, und er und Fitzormonde waren Hospitaliter-Ritter
geworden, um Sühne zu leisten.
    Er starrte hinaus in
die Finsternis. »O gütiger Jesus«, betete er,
»war das noch nicht genug?«
    Der Hospitaliter
fühlte, wie die schwarzen Dämonen der Hölle ihn
umzingelten. Welches Grauen barg die ewige Verdammnis für den
Verräter? Würde man ihn mit Pech bestreichen und
in eine
schwarze Grube voller Schwefel werfen, wo Nattern ihm die Augen
aussaugten und Ottern sich um seine lügenhafte Zunge wanden?
Was konnte er tun, um sich von solchen Phantasien zu befreien? Mit
Cranston reden? Nein! Vielleicht Bruder Athelstan? Mowbray dachte
an die dunklen Augen und das verschlossene Gesicht des
Dominikaners. Er war solchen Männern schon begegnet; einige
seiner Oberen bei den Hospitalitern hatten die gleiche Gabe,
konnten, wie Athelstan, jeden Gedanken spüren. Der
Ordensbruder wußte, daß hinter Sir Ralphs Tod etwas
Böses, Verkommenes steckte.
    Mowbray fuhr hoch, als
ein Nachtvogel hinter den Mauern kreischte. Ein Hund heulte
protestierend. War es ein Hund? Oder einer von Satans Spähern,
der die Legionen der Verdammten aus den Abgründen der
Hölle heraufbefahl? Eine Glocke schepperte. Mowbray
stöhnte voller Angst, seine Phantasiegebilde hatten ihn im
Griff. Die Glocke schien aus den Eingeweiden der Erde
heraufzuschallen. Fluchend versuchte er, sich zu
beruhigen.
    Es war die Sturmglocke
des Tower! Mowbrays Hand fuhr zum Schwertgriff; diese große
Messingstimme erklang nur, wenn der Tower angegriffen wurde! Fest
umklammerte er das Schwert. Vielleicht hatte er sich geirrt?
Vielleicht war Sir Ralphs Tod das Werk von Rebellen gewesen, die
jetzt zurückkamen? Er lief auf der kiesbestreuten Mauer
entlang. Er wollte kämpfen. Er wollte töten, wollte der
Wut, die in ihm kochte, Luft machen. Plötzlich stolperte er.
Er schlug mit den Armen wie ein Vogel mit den Flügeln,
rabenschwarz gegen den Himmel, und dann verlor er das Gleichgewicht
und fiel, und sein Geist war noch in den Klauen des Deliriums. Er
war wieder ein Junge,

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