Das Haus des Windes
treuhänderisch verwaltetes Stammesland rückumgewandelt worden ist. Am 19. Januar 1986 ersuchte Grace Lark, die biologische Mutter von Linda Lark Wishkob, vor Gericht um die Vormundschaft über ihre inzwischen im mittleren Alter befindliche Tochter.
Grace Lark führte an, Linda sei infolge einer Krankheit, von der sie aufgrund eines komplexen medizinischen Eingriffs befallen worden sei, schwer depressiv und geistig verwirrt. Grace Lark erklärte weiterhin, sie wolle die 65 ha Land bebauen, die ihrer Ansicht nach Linda nach dem Tod der Adoptiveltern als Erbe zugefallen waren.
Darunter stand noch ein handgeschriebener, vertraulicher Kommentar meines Vaters:
Da Linda ihrer Geburt nach nicht-indianisch ist, da keinerlei Dokumente ihre Adoption durch die Wishkobs formell belegen, da Grace Lark keinen Versuch unternommen hat, die anderen drei Erben zu kontaktieren, und da Linda Lark Wishkob nach Ansicht des Gerichts nicht nur zurechnungsfähig, sondern geistig gesünder ist als viele andere, die vor diesem Gericht erscheinen, nicht zuletzt als ihre leibliche Mutter, wurde die Klage abgewiesen.
Verrückt, sagte ich.
Es wird noch verrückter, sagte mein Vater.
Wie das denn?
Was du hier siehst, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Psychodrama, das sowohl die Larks, die ihre Tochter aufgegebenhatten, als auch die Wishkobs, die Linda retteten und großzogen, jahrelang nicht mehr losgelassen hat. Als die Wishkobs von der Sache hörten, von diesem dummen, gierigen, bösartigen Versuch, sich ein Erbe unter den Nagel zu reißen, das Linda gar nicht gehörte, und noch dazu Land, das sowieso nicht außerhalb des Stammes weitergegeben werden durfte, wurden sie sauer. Lindas älteste Adoptivschwester Sheryl organisierte sofort einen Boykott der Tankstelle, die die Larks betrieben. Aber nicht nur das, sondern sie half Whitey, einen Gründungszuschuss zu beantragen. Seitdem gehen alle nur noch zu Whiteys Tanke. Whitey und Sonja haben den Larks immer mehr Kunden abgejagt. Irgendwann hat ihr Sohn Linden Lark dann seinen Job in South Dakota verloren und ist hierher zurückgekommen, um seiner Mutter mit ihrem angeschlagenen Betrieb zu helfen. Kurz danach starb sie plötzlich an einer Hirnblutung. Linden macht die Wishkobs, seine Schwester Linda, Whitey und Sonja und mich als Richter für ihren Tod verantwortlich – und für den Bankrott seiner Firma, der wohl nicht mehr abzuwenden sein wird.
Mein Vater starrte stirnrunzelnd auf die Aktenstapel und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
Ich habe ihn ja im Gerichtssaal erlebt. Er soll ein guter Redner sein, ein richtiger Charmeur. Aber bei dem Prozess hat er kein Wort gesagt.
Ist er vielleicht der …?, fragte ich.
Der Angreifer. Ich weiß es nicht. Er ist jedenfalls ein unangenehmer Mensch. Nach dem Tod seiner Mutter hat er sich eine Weile mit Politik befasst. Ihm ist bei dem Prozess wahrscheinlich schmerzhaft bewusst geworden, wie kompliziert die Rechtslage im Reservat ist. Er hat einen wutschäumenden Leserbrief an das Fargo Forum geschickt. Den hat Opichi für mich abgeheftet. Ich weiß noch, dass es hauptsächlich die übliche Leier war – Reservate gehören abgeschafft und so weiter; sogar die alte Redneck-Parole stand drin: »Verloren ist verloren.« Sie werden nie kapieren, dass es dieses Reservat gibt, weil unsere Vorfahrengültige Verträge abgeschlossen haben. Jedenfalls muss irgendetwas hängengeblieben sein, denn als Nächstes hat Linden Gelder für Curtis Yeltow eingeworben, der in South Dakota als Gouverneur kandidiert hat und der dieselben Ansichten vertrat wie er. Außerdem habe ich gehört – von Opichi natürlich –, dass Linden mit der hiesigen Posse Comitatus zu tun hat. Das sind Leute, die finden, dass das höchste politische Amt der County Sheriff sein sollte. Soweit ich weiß, wohnt Linden jetzt in dem Haus seiner Mutter. Er lebt ziemlich zurückgezogen und ist oft weg. In South Dakota wahrscheinlich. Keiner weiß es so genau. Opichi meint, es hätte mit einer Frau zu tun, aber die ist nur selten hier aufgetaucht. Er kommt und geht zu merkwürdigen Zeiten, aber es gibt bis jetzt keine Hinweise auf Drogenhandel oder andere kriminelle Aktivitäten. Ich weiß allerdings, dass die Mutter ziemlich gut darin war, andere zu seelischer Gewalt anzustacheln. Die Leute haben sich von ihrer Wut mitreißen lassen. Sie sah aus wie eine zerbrechliche kleine Greisin, dabei hatte sie dieses überwältigende Anspruchsdenken. Sie war bösartig. Vielleicht hat
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