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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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dieser Geist, den zu verstehen ich noch keine Chance gehabt hatte. Ich wollte Mooshum fragen, was es mit ihm auf sich hatte.
    Mooshums Augen wurden feucht, aber nicht vor Mitleid. Die Sonne strahlte zu hell. Er brauchte die Ray-Ban-Sonnenbrille, die Whitey ihm zu seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Er zog ein zerknülltes, verblasstes Halstuch hervor und betupfte sich damit die Wangenknochen. Dicke Haarsträhnen rahmten sein Gesicht.
    Es gibt bessere Wege, an Glück zu kommen, als ein Vogelbein, sagte er.
    Wir gingen ins Haus. Meine Tante, die sich, um in der Kirche putzen zu gehen, schon hochhackige Schuhe, eine gekräuselte weiße Bluse und enge gebleichte Jeans angezogen hatte, stellte uns sofort eine Kanne Eistee und zwei Gläser auf den Tisch.
    Ich wollte schon loslachen und sie fragen, wie sie in Highheels die Kirche putzen wollte, aber sie bemerkte meinen Blick aufihre Schuhe und sagte: Ich ziehe sie aus, wickle mir Lappen um die Füße und poliere den Boden.
    Was ist das da? Mooshum schürzte missfällig die Lippen.
    Der Medizintee, den du auch sonst jeden Tag trinkst, Daddy.
    Jeder, der mit Mooshum zu tun hatte, bildete sich etwas auf sein stolzes Alter ein und darauf, dass er seinen Verstand noch beisammen hatte. Oder was man so Verstand nennt, sagte Clemence, wenn sie sich über ihn ärgerte. Sein nächster Geburtstag rückte näher, und Mooshum behauptete, er würde dann hundertzwölf. Clemence gab sich besonders große Mühe, ihn am Leben zu erhalten, damit er seine Party genießen konnte. Sie traf eine Menge Vorbereitungen.
    Schenk ein, das Brackwasser, sagte Mooshum zu mir, als wir uns setzten.
    Daddy! Das peppt dich auf.
    Ich brauch keinen Pepp. Ich brauch was, wo ich meinen Pepp wegstecken kann.
    Wie wär’s mit Grandma Ignatia? Ich wollte ihn zum Reden bringen.
    Die alte Trockenpflaume.
    Die ist immer noch jünger als du, sagte Clemence frostig. Ihr alten Säcke glaubt, ihr hättet noch Chancen bei den jungen Mädchen. Das ist das Problem mit euch.
    Das ist es, was mich am Leben hält! Das und meine Haare.
    Mooshum berührte die lange, glänzende, zerzauste weiße Mähne, die er sich seit Jahren wachsen ließ. Clemence versuchte sie ihm immer zu flechten oder zurückzubinden, aber er ließ sein Haar lieber in verfilzten Strähnen offen herabhängen.
    Oh yai. Er nahm einen großen Schluck Tee. Wenn Louis Riel damals Dumont erlaubt hätte, die Miliz in den Hinterhalt zu locken, wäre ich ein Premierminister a. D. Clemence würde unsere indianische Nation regieren, statt beim Priester die Böden aufzuwischen. Sie hätte keine Zeit, mir eimerweise Baumsaft einzutrichtern. Das Zeug läuft einfach durch mich durch, meinJunge. Oops! Ha, ha. Das sage ich, wenn ich mir in die Hosen scheiße. Oops!
    Untersteh dich, sagte Clemence. Bleib du bei ihm und pass ja auf, dass er rechtzeitig aufs Klo geht. Dann sagte sie, sie werde gegen zwölf oder eins zurück sein.
    Ich nickte und trank meinen Tee. Er schmeckte stechend nach Rinde. Als Clemence weg war, konnten wir zur Sache kommen. Zuallererst musste ich wissen, was der Geist bedeutete. Dann brauchte ich Glück. Ich fragte Mooshum nach dem Geist und beschrieb ihn. Ich sagte, denselben Geist hätte auch Randall gesehen.
    Dann ist es kein Geist, sagte Mooshum.
    Aber was dann?
    Jemand streckt seine Seele nach dir aus. Jemand, den du noch kennenlernen wirst.
    Vielleicht dieser Mann?
    Welcher Mann?
    Ich atmete tief durch. Der meiner Mutter wehgetan hat.
    Mooshum nickte und saß reglos mit gerunzelten Brauen da.
    Nein, wahrscheinlich nicht, sagte er schließlich. Wenn jemand seine Seele nach dir ausstreckt, will er dir helfen, ohne es selbst zu wissen. Mon père hat wochenlang von dem Pferd geträumt, das ihn zertrampelt hat. Zweimal habe ich den Engel gesehen, der dann kam, um meine Junesse mitzunehmen. Du musst aufpassen.
    Dann hilf mir, an mein Glück zu kommen, sagte ich. Was soll ich dafür tun?
    Zuerst musst du zu deinem Doodem, antwortete Mooshum. Zu dem Ajijaak.
    Mein Vater und sein Vater waren feierlich in den Kranich-Clan eingeführt worden, den Clan des Ajijaak. Damit waren sie als Anführer mit starken Stimmen ausersehen, aber sonst hatten sie weiter kein Geheimwissen mitbekommen. Das erzählte ich Mooshum.
    Das macht nichts. Geh einfach zu deinem Doodem und sieh ihm zu. Es zeigt dir dann schon dein Glück, Joe.
    Er trank wieder Tee und verzog das Gesicht. Dann ließ er den Kopf auf die Brust sinken und fiel in den jähen Schlaf der Greise und der

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